Pfarrer Msgr. Peter Mies, Kath. Gemeinde Maria Grün
Ich erinnere noch genau, wie ich als Kind durch die Tage des Advents fieberte: mit einer ganz eigenen Mischung aus Neugier, Sehnsucht und Hoffnung auf den großen Moment, in dem sich die Tür öffnete zum Weihnachtszimmer mit dem geradezu überweltlich schimmernden Weihnachtsbaum und den Geschenkpaketen darunter. Advent: die Zeit der Sehnsucht nach dem großen Fest, das mir wie eine Herrlichkeit vorkam. Inzwischen ist die Neugierde auf den Baum und die Geschenke beherrschbar geworden - aber geblieben ist die Erinnerung an die ganz große und unverbrauchte Hoffnung und Sehnsucht.
Sie ist Lebenselixier. Haben Sie schon einmal einen Menschen erlebt, der jegliche Hoffnung verloren hat? Er hätte die Lebenskraft verloren - und vermutlich auch bald das Leben selber. Wer keine Hoffnung und Sehnsucht mehr hat, der stirbt.
Deswegen ist für mich meine Adventserinnerung so wichtig. Es ist die Zeit, die Hoffnung zu erneuern und der Sehnsucht ihre Frische wiederzugeben. Natürlich geht es als Erwachsener nicht mehr um die Sehnsucht nach dem Weihnachtszimmer, sondern grundsätzlicher: dass Menschlichkeit herrschen möge, Friede, Gerechtigkeit für alle - der alte Traum der Menschheit. Wer diese große Sehnsucht nicht von Zeit zu Zeit vital erfrischt, läuft Gefahr, sich abzufinden, aufzugeben. "Gib's auf, gib's auf ...", sagt der Verführer in einer Geschichte Kafkas - und er trifft genau den Kern der Versuchung.
Die Hoffnung ist so elementar für den Menschen, dass manche meinen, sie sei grundsätzlich schon biologisch in ihn eingepflanzt. Mag sein. Aber für mich ist sie nicht nur das. Sie ist gleichzeitig ein religiöses Merkmal, ein Anzeichen dafür, dass mit den "Tatsachen dieser Welt": Tod, Hunger, Terror nicht das letzte Wort gesprochen ist. Die Hoffnung verweist uns über unsere begrenzten Möglichkeiten hinaus.
Deshalb freue ich mich darauf, wenn wir am Sonntag in unserer Kirche wieder die erste Kerze am Adventskranz entzünden: ein kleines Licht nur - aber wir trauen ihm zu, die Hoffnung zu erneuern und die Sehnsucht wieder frisch zu machen: Lebenselixier für unsere Welt.