Es ist falsch, angesichts von Morden, Kriegsgefahr und Terror Gott auf die Anklagebank zu setzen, sagt der evangelische Pastor. Wer sich trösten lässt, kann sich stärken.

Ein 26-Jähriger tötet zwei Kinder angeblich aus Mordlust; nordkoreanisches Militär beschießt eine Insel im Gelben Meer; Terrordrohungen gegen unsere Städte - Schlagzeilen und Berichte, die wir mit Schrecken zur Kenntnis nehmen.

Wut und Trauer mischen sich mit der Angst um Kinder und Frieden und zugleich mit den hilflosen Fragen: Warum? Wie kann Gott das zulassen? Warum können Menschen so etwas tun? Wieso ist so viel Böses in unserer Welt?

Wo wir versuchen, solche elementaren Fragen an konkreten Fällen abzuarbeiten, werden wir scheitern.

Natürlich kann man versuchen, kriminelle Taten zu erklären, mit fehlender Liebe, häuslicher Gewalt oder übermäßigem Drogenkonsum. Natürlich kann man militärische oder terroristische Übergriffe als logische Konsequenz von Armut, von Unterdrückung oder von geschichtlichen Zwängen interpretieren.

Aber mit all diesen Erklärungsversuchen können wir nicht die grundsätzliche Frage beantworten, wie das Böse in die Welt gekommen ist. Es gibt keine verrechenbare Antwort.

Jeder Versuch, den Ursprung des Bösen zu erklären und es von irgendwelchen Bedingungen und Entwicklungen abzuleiten, muss misslingen, weil es die wichtige Frage nach Schuld und Verantwortung immer weiter wegschiebt.

Den klassischen Modellfall für diese Art des Verschiebens malt die biblische Sündenfallgeschichte (1. Mose 3), in der Adam und Eva verbotenerweise von dem Baum der Erkenntnis essen. Als Gott den Adam deswegen zur Rechenschaft zieht, antwortet er, sich selbst entschuldigend: "Die Frau, die du mir gegeben hast, reichte mir die Frucht."

Adam sieht sich als Opfer einer Verführung, deren Verursacher letztlich der Schöpfer selber ist. Als Gott Eva zur Rede stellt, reagiert sie nach demselben Muster: "Die Schlange ist schuld, sie hat mich dazu verführt."

Wenn man die Geschichte weiterspänne, würde sicher auch die Schlange genügend Gründe haben, das Verschiebespiel fortzusetzen und letztlich Gott selbst die Schuld zuschieben. So könnten wir für alle Ereignisse Anlässe finden, das Böse als zwangsläufigen Prozess vom Paradies bis heute abzuleiten. So könnten wir uns selbst zu Opfern tragischer Verkettungen erklären und jede Schuld in Schicksal verwandeln. Wenn wir uns aber hinter Erbmasse, Milieu, Gesellschaft, Veranlagung verstecken und unsere Hände in Unschuld waschen, können wir nicht hinter die eigentliche Ursache des Bösen kommen.

Wenn wir uns nur als Opfer einer Kette von Eigengesetzlichkeiten sehen, verkennen wir unsere eigene Freiheit.

Wir haben die Freiheit, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Wir haben Gebote mitbekommen, uns ethisch zu verhalten. Du sollst nicht töten, ehebrechen, stehlen oder lügen sind Maßstäbe einer gelingenden Gemeinschaft. Das Doppelgebot der Liebe (Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst) ist eine Orientierung, die unsere Gesellschaft rücksichtsvoller und friedlicher machen kann.

Aber schon die Menschen der Bibel sind mit ihrer Freiheit oft nicht klargekommen. Sie haben sie missverstanden als Möglichkeit, von Gott freizukommen. Wo aber ihr Verhältnis zu Gott gestört war, da kamen sie auch nicht mit ihrem Nächsten klar, da hat auch Kain seinen Bruder erschlagen.

Nein, ich kann nicht an das Gute im Menschen glauben. Er ist nicht gut, er ist ambivalent von Anbeginn. Er steht immer zwischen Gut und Böse und muss sich oft mit schrecklichen Versuchungen herumschlagen. Darum ist es falsch, angesichts menschlicher Verbrechen Gott auf die Anklagebank zu setzen und zu fragen: Wie kannst du das zulassen?

Doch immer haben wir bei erschütternden Anlässen das Bedürfnis, Kerzen anzuzünden, Kirchen aufzusuchen, Gott unser Leid zu klagen.

Wir brauchen eine Adresse für unsere Hilflosigkeit, wir suchen einen Trost, der nicht mit unserer Logik zu erklären ist. Dann hören wir auf Predigttexte wie den des letzten Sonntags: "Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen ... Siehe ich mache alles neu!"

Wer sich so trösten lässt, der kann sich auch stärken lassen gegen das Böse. Der wird sich einsetzen für die Liebe, für die Kinder, für den Frieden.

Gerade in der kommenden Adventszeit gibt es dafür viele gute Gelegenheiten.