Ein 40-Jähriger ist seit einer Prügelattacke geistig behindert. Angeklagte äußern Bedauern

Neustadt. Er lag im Koma und rang mit dem Tod. Tage später erwachte der 40-Jährige in seinem neuen Leben. Einem Leben, das nie mehr so sein wird, wie es einmal war.

Seit Ende Mai, als er Opfer einer Prügelattacke wurde, leidet Matthias R. unter Erinnerungslücken, er hat seinen Orientierungssinn eingebüßt, redet häufig Wirres - und wird bis an sein Lebensende geistig behindert bleiben. Dennoch könnten die mutmaßlichen Täter freigesprochen werden. Vorausgesetzt, das Landgericht folgt den Anträgen der Verteidiger von Nehat H., 33, und Patrick W., 30.

Nicht weniger forderten gestern die Rechtsanwälte Andreas Thiel und Michael Kuhagen, die Staatsanwaltschaft hingegen plädierte auf Haftstrafen zwischen zweieinhalb und drei Jahren. In ihren Schlussvorträgen betonten die Verteidiger: Ihre Mandanten hätten in Notwehr gehandelt und weder geplant noch beabsichtigt, Matthias R. so gravierend zu verletzen.

Es passierte im U-Bahnhof Niendorf-Markt. Nehat H. und Patrick W. kamen gegen Mitternacht vom Straßenfest "Tibarg", sie hatten gefeiert und Alkohol getrunken. Matthias R. und seine Freundin Anja B. warteten unten auf die U-Bahn. Laut Anklage belästigte Patrick W. die 40-Jährige gleich mit plumpen Sprüchen. Es kam zur Rangelei zwischen ihm und Matthias R., dabei schlug ihm auch Nehat H. einmal mit der Faust ins Gesicht. Wie ein Stein knallte der Ingenieursstudent daraufhin mit dem Hinterkopf auf den Bahnsteig. Die Täter flüchteten, ihr Opfer erlitt Schädelbrüche und eine Gehirnblutung.

"Ich bin überzeugt, dass eine Notwehrlage für Herrn W. eingetreten war", sagte Thiel. Nach der Beweisaufnahme sei nicht davon auszugehen, dass der 30-Jährige Anja B. "ehrverletzend" beleidigt habe. Vielmehr habe Matthias R. dazu beigetragen, dass die Situation eskalierte. Nach Zeugenaussagen sei der 1,90 Meter große Mann "sofort aufgesprungen" und habe sich in bedrohlicher Manier dem nur 62 Kilo schweren Patrick W. genähert.

Sein Mandant Nehat H. habe die Kontrahenten erst noch voneinander trennen wollen, sei aber von Matthias R. weggestoßen worden. "Er musste in zwei Sekunden entscheiden, was er tun sollte." Da habe der 33-Jährige seinem Freund Nothilfe geleistet und einmal zugeschlagen. Zu verurteilen seien die Angeklagten hingegen wegen unterlassener Hilfeleistung, da sie den erkenntlich Schwerverletzten im Stich ließen.

Die Angeklagten bereuen ihre Tat. "Es war eine Tragödie", sagte Patrick W. gestern in seinem Schlusswort. Nehat H. ergänzte. "Ich würde die Zeit gern zurückdrehen." Gleichzeitig kündigte Thiel an, sein Mandant werde an das Opfer Schmerzensgeld zahlen. Das Urteil fällt am 6. Dezember.