Gestern startete der Lanvin-Verkauf bei H&M. Massengedränge gab es nicht - dank eines ausgeklügelten Systems

Neustadt. Laute Musik dröhnt durch die Türen. Sie sind geschlossen, bewacht von Männern in schwarzen Anzügen. Eine Frau verteilt bunte Bändchen an die etwa 20 Wartenden, die sich bei einstelligen Temperaturen vor einem Absperrseil versammelt haben. Es könnte sich um eine Szenerie vor dem Eingang eines noblen Klubs handeln. Nur die Uhrzeit passt dazu nicht so recht. Es ist morgens, halb acht, mitten auf der Spitalerstraße. Und es ist auch kein angesehener DJ, der sehnsüchtig erwartet wird. Sondern die Lanvin-Kollektion bei H&M.

Seit gestern früh können die gerafften Abendkleider, T-Shirts mit auffälligen Applikationen und spitzen Pumps mit Strass-Absätzen in dem Geschäft in der Fußgängerzone sowie im Alsterhaus erstanden werden. Ein Luxus-Label zu Kaufhauspreisen - das ist die Grundidee dieser sogenannten Kapselkollektionen. Größen wie Sonia Rykiel, Roberto Cavalli und Karl Lagerfeld konnte der schwedische Konzern bereits zu einer Kooperation bewegen. In diesem Jahr landete man den nächsten Coup: Der gebürtige Israeli Alber Elbaz, seit 2001 Designchef bei Lanvin, gehört zu den derzeit gefragtesten Modeschöpfern der Haute Couture.

Um den erwarteten Ansturm auf die limitierte Kollektion zu kanalisieren, griff H&M auf ein ausgeklügeltes System zurück. Die ersten 320 Kunden konnten dabei in Gruppen zu 20 Leuten jeweils 15 Minuten in den Lanvin-Kreationen stöbern. Sie erhielten Bändchen, auf denen eine Uhrzeit stand, zu der man Einlass in den Laden erhielt. Der Einkauf war auf ein Stück je Artikel limitiert. Das Konzept ging auf: Die modeinteressierte Meute hielt sich recht vornehm zurück. Kein Gedränge, wie es 2004 bei Lagerfeld der Fall war. Keine meterlangen Schlangen, kein Gezerre am Kleiderbügel. Ohne Murren reihte sich die überwiegend weibliche Kundschaft ein, stärkte sich mit Croissants aus den von H&M bereitgestellten Frühstücksboxen und wartete auf das Startsignal zum Shoppen. Also eher Kuschelkurs statt Kleiderkrieg. Und einiges an unterbeschäftigtem Personal.

Dadurch lohnte sich zumindest der Aufwand für diejenigen, die in der Kälte bis zu zwei Stunden ausgeharrt hatten. Aus Angst davor, nichts mehr von den Entwürfen des ältesten Couture-Hauses weltweit abzubekommen. So wie fünf Schülerinnen aus Volksdorf, die um vier Uhr aufgestanden waren, um sich einige Teile zu sichern. Mit Erfolg. Bis zu 350 Euro gab beispielsweise die 16-jährige Cynthia Bock aus. Wer zahlt? "Weiß nicht, ich hoffe auf Mama." Extra aus Bremen, wo Lanvin nicht verkauft wird, reiste Julia Eberhardt an. Die 24-Jährige studiert Modedesign. Ein Teil von Lanvin zu erstehen, das sei für sie "ein absolutes Muss". Es wurden gleich drei: eine Felljacke, ein Paar schwarze Schuhe und ein T-Shirt, an dem eine überdimensionale Schleife angenäht ist - das Lanvin-Erkennungszeichen. "Zum Glück gab es ein Limit", sagte sie. "Sonst wäre es sehr teuer geworden."

Grenzenlos und ohne Auflagen konnten dagegen die Herren shoppen. Wobei sich nur eine Handvoll zur frühen Stunde dazu aufraffte. Sebastian Lipp, 19, aus Altona etwa. Im Internet hatte er sich bereits über die Kollektion informiert, wollte sich einen Trenchcoat kaufen. Es wurde ein Hemd. "Die Smokings finde ich auch interessant, aber das ist nicht so mein Stil." Die meisten Männer kamen jedoch als Begleitung ihrer Freundinnen, als Berater - oder auch als Tütenhalter. Jan Spörhase, 26, aus Eimsbüttel hatte einiges zum Tragen. Seine Freundin Lilli schöpfte ihr Kontingent voll aus: eine Fellweste, mehrere Cocktailkleider, rote Pumps - eine Auswahl ihrer Beute. 500 Euro hatte sie sich als Limit gesetzt, 800 wurden es. Doch dafür, sagte sie, habe sie immerhin ein komplettes Silvesteroutfit. Nicht nur für dieses Jahr.

Ab mittags war der Verkauf dann für jeden zugänglich, der sich am Morgen kein Bändchen gesichert hatte. Wie lange der Vorrat jetzt noch reicht, ist laut H&M-Sprecher Hendrik Alpen nicht absehbar. Mit dem Verkauf zeigte er sich trotz der ausbleibenden Massen am frühen Morgen zufrieden. "Es ist genau so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Kollektion wurde sehr gut angenommen." Einen Ausnahmezustand wie bei Karl Lagerfeld wollte man in diesem Jahr verhindern. Das gelang allerdings nicht ganz, denn es herrschte durchaus Chaos. Nicht auf den Straßen, sondern im Internet. Die Seite des H&M-Onlineshops brach gestern um kurz vor acht Uhr zusammen. Mit VIP-Bändchen wäre das sicherlich nicht passiert.