Die Hamburger Politik agiert bei der “Green Capital“-Kampagne unglaubwürdig und ungeschickt, kritisiert der PR-Fachmann

Hamburg läuft Gefahr, seine Möglichkeiten als Umwelthauptstadt 2011 zu verspielen. Vor allen Dingen aus Marketingsicht drohen ähnliche Pleiten wie in den letzten Wochen bei der unsäglichen Beschädigung der Kulturmarke Hamburg. Der Anfang war eigentlich gut: Immerhin wurden die Einladungen für den feierlichen Startabend auf Kampnagel umweltfreundlich per E-Mail verschickt. Doch was dann folgte, muss umweltbewussten Kommunikationsinteressierten wie ein Desaster vorkommen.

"Jetzt muss das Früchte tragen, was wir vorbereitet haben!", sagte unsere Umweltsenatorin Anja Hajduk zu diesem Abend. Doch die Früchte haben erhebliche Flecken, vielleicht sind sie sogar von innen faul. Schon beim Start der "Green Capital"-Kampagne letzte Woche und bei der Vorstellung der Sponsoren dieser Kampagne zeigte sich, wie wenig ernst die Grünen-Politikerin die Umwelthauptstadt-Auszeichnung nimmt. Oder wie würden Sie es finden, wenn Kiezgröße Kalle Schwensen für sichere Geldanlagen werben würde? Was wäre, wenn Schweden-König Carl Gustaf morgen seine Untertanen zu Monogamie ermahnen würde? Es wäre wohl genauso unglaubwürdig, wie es einige Unternehmen in ihrer Rolle als Sponsoren der Umwelthauptstadt-Kampagne sind. Was hat der Konsumtempel-Bauer ECE mit Umweltschutz am Hut? Und wieso ist Atomkraftwerke-Zulieferer Siemens plötzlich Umwelt-Förderer? So zweifelhaft die Auszeichnung schon im Vorfeld erschien, so undurchsichtig ist die Motivation der Verantwortlichen, diese Sponsoren grünzuwaschen.

Wie unsensibel die Umweltbehörde mit dem Thema Marken-Glaubwürdigkeit in diesem Zusammenhang umgeht, zeigte sich aber auch schon bei der Programmgestaltung der Auftaktveranstaltung: Beim Catering legte man wenig Wert auf nachhaltigen Konsum und setzte unter anderem auf Kalorienbrause mit künstlichen Zusatzstoffen. Auf der Bühne zerschnipselte ein schwedischer "Geräusche-Künstler" Gurken, die dann sinnlos zu Boden fielen. Jedes Kind wäre ermahnt worden, dass man mit Essen nicht spielt. Auf einer Veranstaltung zum Thema Umwelt wirkt so etwas wie ein Faustschlag ins Gesicht! Wir dürfen gespannt sein, was uns da im nächsten Jahr erwartet. Vielleicht lässt sich ja die Billig-Textilkette Kik für eine Umweltmodenschau gewinnen oder Coca-Cola darf seine Zuckergetränke während einer Ernährungswoche gratis an Grundschulen verteilen.

Es ist wirklich traurig, dass die Stadt so viele Elfmeter schon am Anfang des Spiels verschießt. Aber das eigentliche Umweltjahr hat ja noch nicht begonnen. Es wäre also schön, wenn man die Taktik noch einmal überdenkt und nicht immer nur auf äußere Effekte baut - wie beim Filmfest, als man den roten Teppich grün färbte und so auch schon einmal die Cineasten auf das bevorstehende Hauptstadtjahr einstimmen wollte, dafür aber andere Umweltschädlinge im Sponsorenfeld zuließ. Und wenn der Bürger sich ändern und durch sein Verhalten die Umwelt ein bisschen mitretten soll, dann sollten es die Behörden und ihre Vertreter erst recht tun. Zumindest wenn sie im Namen der Umwelt unterwegs sind.

Natürlich werden die Verantwortlichen darauf hinweisen, dass Siemens & Co. enorm viel Geld bezahlt haben und dass man in diesen Zeiten darauf nicht verzichten könne. Das ist aber eine ähnliche Milchmädchenrechnung wie die immer wiederkehrende Behauptung, dass Ökostrom teurer ist als Atomstrom, nur weil man wichtige Kosten wie Endlagersuche oder mögliche Katastrophen nicht mit einkalkuliert. Mit dem Hinweis auf die Kosten würde man auch die vielen Bürger abwatschen, die sich ihre Umweltfreundlichkeit vom Munde absparen und zum Beispiel eher auf teurere Fairtrade-Produkte statt auf Discountware setzen.

Umweltschutz darf keine Entscheidung des Geldes sein und hat viel mit Glaubwürdigkeit zu tun. Das sollte endlich bei allen Politikern ankommen.

Die Auszeichnung Umwelthauptstadt 2011 ist für Hamburg eine große Chance, vieles richtiger zu machen als andere Städte. Den wirklichen Titel müssen wir uns alle erst verdienen. Denn mit gemeinsamer Anstrengung wird unsere Stadt auch ein weiteres Ziel erreichen, was mit der Auszeichnung erleichtert werden soll: die Ansiedlung von Firmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Schaffung von zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Frei nach dem früheren Slogan eines großen Umweltsünders, des Öl-Multis Esso: Es gibt viel zu tun - Packen wir es an!