... und 149 andere Fragen im ersten Elternknigge. Die Hamburgerin Tanja Stelzer schrieb an dem etwas anderen Erziehungsratgeber mit.

Hamburg. Es gibt Erziehungsratgeber, die einem auf 600 Seiten erklären, wie am besten mit dem Nachwuchs zu verfahren ist. Meistens liegen diese Schinken im Bücherregal und verstauben. Welche Mutter, welcher Vater hat schon Zeit und Lust, abends, wenn die Kinder endlich im Bett liegen, zu lesen, was sie alles falsch machen. Und die wirklich wichtigen Fragen werden sowieso nicht beantwortet, zum Beispiel diese: "Darf Papa auf dem Spielplatz rauchen?""Darf man in Anwesenheit von Kindern bei Rot über die Ampel gehen?" oder "Darf ich meinem Kind Prinzessin Lillifee verbieten?"

"Ja, ich darf nicht nur, ich sollte sogar", schreibt Tillmann Prüfer, beim "Zeit-Magazin" verantwortlich für Stilfragen und Vater von drei Töchtern und offensichtlicher Gegner von Lillifee. "Sicher, kleine Mädchen lieben Rosa. Aber das bedeutet nicht, dass Erwachsene dem ihr eigenes ästhetisches Empfinden unterordnen müssen. Kinder bekommen vieles in die Wiege gelegt, guten Geschmack nicht. Eltern können gar nicht früh genug damit anfangen, ihn ihren Kindern beizubringen."

Die Journalisten Tanja Stelzer aus Eimsbüttel und Matthias Kalle aus Berlin gehen auf solche und 149 andere Fragen ein. Für ihren Elternknigge haben sie ihre Kollegen vom "Zeit-Magazin" um Antworten gebeten. Die sind ebenfalls Eltern und haben somit ein bisschen Ahnung von Themen, wie: "Darf ich mein Kind auf den Mund küssen?" Tanja Stelzer, 40, findet es falsch, ihre fünfjährige Tochter und ihren siebenjährigen Sohn auf diese Art zu küssen und schreibt: "Küssen Sie Ihre Kinder so oft, wie Ihre Kinder es wollen, aber küssen Sie auf die Backe (gibt es Schöneres als eine pralle Kinderbacke?)" Als ihre beste Freundin diesen Ratschlag gelesen hat, musste Tanja Stelzer mit ihr darüber eine Stunde lang am Telefon diskutieren. So groß war die Verwirrung. Ihre Freundin hätte diese Frage nämlich ganz anders beantwortet. Matthias Kalle, 35, Vater einer zweijährigen Tochter, übrigens auch. Um Richtig oder Falsch geht es beim Elternknigge aber auch gar nicht, eher um das richtige Gefühl beim Umgang mit den Kindern.

Kollegin Ilka Piepgras, 46, Mutter von siebenjährigen Zwillingen, bleibt zum Beispiel nur ungern an roten Fußgängerampeln stehen, obwohl die Straße frei ist. Das habe den Stellenwert einer Zen-Übung kurz vor dem Zustand der Erleuchtung: "Wichtiger als die stupide Regel ,Bei Rot stehen, bei Grün gehen' ist das Prinzip: Über die Straße laufe ich nur, wenn es ungefährlich ist - ganz gleich, ob bei Grün oder Rot."

Als Eltern steht man täglich vor Hunderten von Entscheidungen. Der Knigge gibt Orientierung - mal flapsig, mal ernst und häufig auf eine ehrliche Art, die manchmal rührend ist.

Beispiel: Jörg Lau lebt mit seinen drei Töchtern in Berlin und ist sehr aufrichtig bei der Frage: "Darf ich aus Sorge das Tagebuch meiner Tochter lesen?" "Nein. Natürlich nicht", schreibt er. Er hat es aber getan. Es tue ihm leid. Es werde nicht mehr vorkommen. "Es lag einfach so herum. Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich hatte das Gefühl, meine Tochter entgleitet mir. Ich bereue, was ich getan habe. Es ist unverzeihlich, das Tagebuch seiner Tochter zu lesen. Aber mir hat es geholfen." Es sind diese überraschenden Offenbarungen ganz normaler Eltern, die das 192-Seiten-Buch so besonders machen. Es sind eben keine besserwisserischen Erziehungsexperten und Pädagogen, die zu Wort kommen.

"Die wertvollsten Tipps erhält man doch von anderen Eltern", sagt Tanja Stelzer. Eine ihrer Freundinnen wollte zum Beispiel wissen: "Was mache ich, wenn das Kind ein fremdes Zimmer verwüstet?" Tillmann Prüfer dazu: "Wenn das Kind noch klein ist, sollte man den Nachwuchs tadeln, sich wenigstens symbolisch an den Aufräumarbeiten beteiligen - und froh sein, dass es nicht das heimische Kinderzimmer ist."

Der "unprofessionelle" Erziehungsratgeber - so der Untertitel - macht deutlich, dass jeder seinen eigenen Weg in der Erziehung finden muss. Tanja Stelzer: "Man muss sich Fehler eingestehen und nicht immer nach rechts und links gucken." Deshalb ist der Elternknigge auch keine "dogmatische Benimmfibel, sondern ein buntes, unterhaltsames Kaleidoskop moderner elterlicher Erfahrungen und Einstellungen, ein vielstimmiges Plädoyer wider den Zwang zur Perfektion."

Matthias Kalle ist nicht perfekt. Er raucht immer noch. Nur nicht mehr auf dem Spielplatz.

"Anfangs zündete ich mir dort eine Zigarette an, las Zeitung, trank Kaffee aus einem Pappbecher. Eines Tages schaute ich nach links: ein Vater, lesend, Zigarette, Pappbecher. Ich schaute nach rechts: ein Vater, lesend, Zigarette, Pappbecher. Der Anblick widerte mich an - ich fand es eklig, unverschämt. Ich fand es falsch."

Tanja Stelzer und Matthias Kalle stellen ihren Elternknigge am Dienstag, 23. November, um 20.30 Uhr in der Austerbar, Henriettenweg 1 vor. Durch den Abend führt NDR-Moderatorin Julia Westlake. Der Eintritt ist frei.