Stellingen. Männlich. Wie sonst sollte man sein Aussehen beschreiben - mit diesem gewaltigen Schnauzbart im Gesicht? Kaiser Wilhelm hätte seine Freude an Lee gehabt, dem kleinen südamerikanischen Affen. Jedenfalls so lange, bis Nancy auf der Bildfläche erschienen wäre, Lees Weibchen. Genauso gesichtsbehaart wie ihr Gatte lässt sie keine Frage aufkommen, wer im Hause Tamarin die Hosen anhat. Die Kinder rumschleppen? Das kann der Mann machen! Da hätte der alte Wilhelm aber geschaut.

Lee ist ein Kaiserschnurrbarttamarin. Tatsächlich geht dieser Name auf Kaiser Wilhelm II. zurück, und auch wenn das anfänglich noch als Scherz gedacht war, hat es sich mittlerweile etabliert. Der kleine Primat gehört zur Familie der Krallenaffen und lebt bei Hagenbeck mit einer anderen Affenart, den Weißkopfsakis, und den Goldagutis (großen Nagetieren) zusammen.

"Bei den Kaiserschnurrbarttamarinen gibt es immer einen Männchen-Überschuss, keine Ahnung, warum", sagt Reviertierpfleger Thomas Feierabend. So kommt es, dass die Hamburger Gruppe aus Männchen Lee, Weibchen Nancy sowie fünf männlichen Nachkommen besteht - und einem Baby, von dem die Tierpfleger das Geschlecht noch nicht kennen. Seit sechs Jahren leben der neunjährige Lee und die achtjährige Nancy zusammen und haben in dieser Zeit regelmäßig gezüchtet, sagt Thomas Feierabend: "Eigentlich hatte sie jedes Jahr Nachwuchs, und in den vergangenen zwölf Monaten sogar zweimal."

Normalerweise bekommen die kleinen Affen bei jedem Wurf Zwillinge. Dass zuletzt nur ein Jungtier geboren wurde, dieses jedoch recht kurz nach dem letzten Nachwuchs, überraschte die Tierpfleger. "Vielleicht kam das deshalb, weil Nancy im vergangenen Jahr krank war und die Jungtiere verloren hat", sagt Feierabend. Mittlerweile ist das Weibchen jedoch wieder bei bester Gesundheit - und gibt die Kinderbetreuung dennoch an Lee ab. Feierabend: "Das ist bei allen Tamarinen so. Die Männer sind die Kindermädchen."

Wenn man nicht genau hinsieht könnte man meinen, Lee wüchse regelmäßig ein gewaltiger Pelzkragen im Nacken. So sieht es jedenfalls aus, denn die Jungtiere werden von den Vätern auf dem Rücken getragen, indem sie sich quer über den Nacken gelegt in Papas Fell festkrallen. Nur die kleinen rosafarbenen Gesichter verraten sie, wenn sie aus dem grauen Rückenkleid mit den gelb-braunen Sprenkeln aufblicken. Der auffällige weiße Schnurrbart ist bei ihnen schon von Geburt an angelegt, nimmt jedoch erst auf dem Weg zur Geschlechtsreife seine raumgreifende Form an.

Banane ist äußerst beliebt bei den kleinen Affen, Gemüse weniger

Kaiserschnurrbarttamarine leben in den Regenwäldern des südwestlichen Amazonasbeckens in Südamerika, von Brasilien über Peru bis Bolivien. Sie erreichen eine Körperlänge von 26 Zentimetern, zu denen noch ein bis 41 Zentimeter langer Schwanz hinzukommt, und ein Gewicht von bis zu 500 Gramm.

Damit sich Letzteres bei Hagenbeck nicht über Gebühr steigert, müssen Thomas Feierabend und seine Kollegen, wie bei allen Affen, auf eine ausgewogene Ernährung der Tiere achten: "Natürlich fressen sie süße Banane und Grießbrei besonders gerne. Deshalb bekommen sie das aber auch nur in Maßen - dann kann ich auch gut Mineralstoffe oder Medikamente darin verstecken." Überwiegend steht Gemüse wie Rote Bete, Paprika, Möhren oder auch gekochte Kartoffeln auf dem Speiseplan, dazu täglich tierisches Eiweiß in Form von Heuschrecken, Mehlwürmern oder einem gekochten Ei. Und natürlich das, was sie im Freiland vorrangig verzehren: Baumharz. Das bekommt Feierbabend in kristalliner Form geliefert und löst jeden Tag ein kleines Schälchen davon für die Tamarine mit heißem Wasser auf.

Lee ist ein furchtloser kleiner Kerl, wie Feierabend sagt. "Er lässt sich, wie der Rest der Truppe, aus der Hand füttern und hat auch vor den wesentlich größeren Sakis keine Angst." Ganz im Gegenteil: Sollte sich der Tierpfleger einmal aus Sicht des Tamarin-Mannes zu lange mit Weibchen Nancy beschäftigen, dann kann es schon einmal vorkommen, dass der Affe Feierabend in die Finger beißt. "Und das ist ganz schön schmerzhaft", sagt der Tierpfleger. Auch wenn er gleich hinterherschießt, dass das ein gutes, beschützendes Verhalten Lees gegenüber seiner Familie sei.

Tamarine sind sehr kommunikativ und verraten so ihre Laune

Mit den Lütten ist er dann wieder die Ruhe selbst. Schleppt sie herum und überreicht sie nur zum Säugen seiner Frau, bis die Jungtiere mit rund drei Monaten entwöhnt werden. Krallenaffen-Familien bleiben jedoch lange in einem großen Verband zusammen, in dem alle männlichen Nachkommen die kleineren Geschwister betütern und nur die älteren Weibchen irgendwann abwandern.

Bei Hagenbeck freut man sich über die guten Zuchterfolge bei den Affenzwergen, die 15 Jahre alt werden können und deren Lebensraum durch Abholzung bedroht ist. Feierabend schätzt vor allem die verschiedenen zwitschernden Laute der mitteilungsbedürftigen Tamarine: "Durch sie erkenne ich schon von Weitem die Stimmung in der Gruppe."

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