Mit dem Internet-Projekt sollen sich Bürger an einer Online-Diskussion beteiligen und können mit Experten über Sturmfluten debattieren.

Hamburg. Das Wasser schwappte über die Kaikante, lief in die festlich dekorierte Fischauktionshalle in Altona. Wenige Kilometer weiter überraschte das kalte Elbwasser in den Vier- und Marschlanden einen Schäfer, viele seiner Tiere ertranken. Die erste Sturmflut des Jahres am Freitag zeigte nach Ansicht von Hochwasserexperten, wie wenig manche Hamburger noch auf die Gefahren von Flut und Hochwasser-Ereignissen eingestellt sind.

Warnungen und Vorhersagen seien zwar viel besser geworden, doch je mehr in Hamburg am Wasser gebaut werde, desto mehr Menschen seien nicht mit dem Thema vertraut, so Sylvin Müller-Navarra, Sturmflutexperte beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Gemeinsam mit dem Wasserbau-Professor der TU Hamburg-Harburg, Erik Pasche, und dem Meteorologen Frank Böttcher stellte Müller-Navarra ein Internet-Projekt des TU-Forschungsverbunds "Klimzug Nord" vor.

Hinter dem Namen verbirgt sich ein Zusammenschluss verschiedener norddeutscher Institutionen, die Anpassungsstrategien für einen Klimawandel entwickeln. Mit dem Internet-Projekt sollen sich Bürger an einer Online-Diskussion beteiligen und können in den kommenden drei Wochen mit Experten über Sturmfluten, Klimawandel und Binnenhochwasser nach heftigen Regenfällen debattieren. "Wir wollen wissen, welche Abwehrmöglichkeiten bekannt sind und welche auf Akzeptanz stoßen in der Bevölkerung", sagt Projektleiter Rolf Lührs.

Den Hintergrund skizzierte Wasserbau-Professor Pasche: "Es geht nicht um Panikmache, sondern um konkrete Anpassungsmöglichkeiten." Dazu zählten beispielsweise auch mobile, aufblasbare Hochwasserschutzwände, die bei Dauerregen zum Einsatz kommen könnten, um Keller zu schützen.

Wie stark sich ein möglicher Klimawandel auf Meeresspiegel, Starkregen und Sturmfluten auswirken könnte, sei noch offen, sagte Pasche. "Im Moment gehen wir davon aus, dass es bis 2030 noch recht moderat verlaufen wird."

Bis 2085 sei aber von einem Anstieg des Meeresspiegels in Norddeutschland um 40 bis 80 Zentimeter auszugehen. "Und das erfordert schon neue Anpassungsstrategien", so Pasche.

So sei zu überlegen, ob in einigen Jahrzehnten ein großes Flutsperrwerk in die Elbmündung gebaut werden müsse. Von einer weiteren Erhöhung der Deiche rate er ab, allein weil das Landschaftsbild dadurch aus den Fugen geraten würde. Pasche: "Wir müssen sehen, dass die Deiche überströmungssicher werden, sodass sie nicht brechen können." Genau das sei bei der großen Sturmflut 1962 das Problem gewesen, als vor allem in Wilhelmsburg viele Menschen ertranken.

Aktuell seien die Deiche aber relativ sicher, sagt der Wasserbauexperte. Mit einem Deichschutzprogramm von rund 600 Millionen Euro ist die Deich- und Flutmauerlinie in Hamburg in den vergangenen Jahren neuen und höheren Wasserständen angepasst worden. So liegen die meisten Deiche bei Höhen zwischen acht und mehr Metern über der Marke Normalnull (NN). Pasche: "Die höchste Flut, die wir bisher hatten, erreichte 1976 eine Höhe von 6,45 Metern über NN - es gibt also noch Puffer."

Und von solchen Höhen war die Sturmflut am Freitag noch weit entfernt: Sie lag bei etwa 4,20 Metern über Normalnull. Und ab einem Stand von 3,52 Meter über Normalnull schwappt bereits am Fischmarkt das Wasser über die Kaikante.

www.hochwasser-nord.de - Unter dieser Internetadresse gibt es zu dem Thema in den kommenden drei Wochen Videos mit verschiedenen Hochwasser-Szenarien. Karten zeigen, welche Gebiete in der Metropolregion Hamburg bei Sturmfluten oder auch nach Starkregen gefährdet sind. Regelmäßig werden Chats mit Experten angeboten.