Nur bei jedem 20. der 627 Einkommensmillionäre gibt es eine Steuerprüfung. Die Stadt erhofft sich Mehreinnahmen durch “Vermögensabschöpfung“.

Hamburg. In kaum einem Bundesland müssen Einkommensmillionäre so selten mit einer Steuerprüfung rechnen wie in Hamburg. Das geht aus einer Erhebung der Grünen in sechs Bundesländern hervor. Während in Sachsen im vergangenen Jahr 38,7 Prozent der Einkommensmillionäre geprüft wurden und in Nordrhein-Westfalen 30 Prozent, waren es in Bayern 18 Prozent, in Schleswig-Holstein zwölf und in Hamburg sogar nur fünf Prozent.

"Da haben wir Handlungsbedarf gesehen", sagte Jens Kerstan, der Fraktionschef und Haushaltsexperte der GAL-Bürgerschaftsfraktion. "Deshalb hat der Senat in der aktuellen Haushaltsplanung sieben zusätzliche Prüfer vorgesehen, die sich vor allem um Privatvermögen kümmern sollen." Die Finanzbehörde geht davon aus, dass jeder Prüfer etwa eine Million Euro zusätzlich in die Kasse bringt. Kerstan: "Für uns ist es wichtig, dass der Steuervollzug für alle Steuerzahler-Gruppen nachvollziehbar und gerecht organisiert wird."

Dass sich Prüfungen bei den aktuell 627 Einkommensmillionären lohnen, zeigen die Zahlen der Finanzbehörde: 2009 führten 31 Prüfungen zu Mehreinnahmen für die Stadt von 8,546 Millionen Euro - das sind gut 275 000 Euro pro Prüfung. 2006 wurden sogar 294 000 Euro pro Prüfung eingenommen. Mitunter geht der Schuss aber auch nach hinten los: 2007 mussten nach 22 Prüfungen 3,51 Millionen Euro an die Millionäre erstattet werden. Immerhin zeigt der Großteil der Untersuchung, dass Hamburgs Steuerverwaltung "keinen Vergleich mit anderen Ländern scheuen muss", so Kerstan. Beispiel Personal der Steuerverwaltung: Mit 20,7 Stellen pro 10 000 Einwohner belegte Hamburg im Jahr 2008 den Spitzenplatz und hat als einziges Land zuletzt wieder Personal aufgebaut. Der Bundesdurchschnitt lag bei 12,6 Stellen.

Im Bereich der Betriebsprüfung hat Hamburg mit 32 Betriebsprüfern auf 100 000 Einwohner ebenfalls einen Spitzenwert. Beim Schlusslicht Bayern (15 Prüfer je 100 000 Einwohner) erwirtschaftet allerdings jeder Prüfer Mehreinnahmen von 2,43 Millionen Euro im Jahr, Hamburg kommt mit 1,73 Millionen auf den zweiten Platz.

Beim Prüfungsturnus von Betriebsprüfungen liegt Hamburg zwar im Mittelfeld, dennoch sehen die Grünen "Missstände in allen Ländern": Kleinstbetriebe müssen an der Elbe rein statistisch alle 97 Jahre mit einer Prüfung rechnen, Kleinbetriebe alle 23 Jahre und mittelgroße Betriebe alle 12,5 Jahre. Lediglich bei Großbetrieben prüfen alle Länder nach vier bis fünf Jahren. Die bundesweite Zielvorgabe von drei Jahren erfülle aber kein Land, kritisiert die GAL.

Bei der Zahl der Steuerfahnder pro einer Million Einwohner führt Hamburg mit 52, Bayern auf dem letzten Platz kommt mit nur 27 Steuerfahndern aus. Dementsprechend ist auch die Zahl der Prüfungen mit 81 pro 100 000 Einwohner in der Hansestadt am höchsten - in Bayern sind es lediglich zwölf Prüfungen. Warum in Hamburg ausgerechnet Einkommensmillionäre kaum geprüft werden, konnte die Finanzbehörde gestern nicht erklären.

Deutliche Mehreinnahmen verspricht sich die Stadt in den kommenden Jahren durch die sogenannte Vermögensabschöpfung. Dabei geht es um das Einziehen von Einnahmen aus Straftaten. Da in den vergangenen fünf Jahren nur jeweils zwischen 1,2 und 1,8 Millionen Euro abgeschöpft wurden, waren im Haushalt ursprünglich nur 1,2 Millionen Euro veranschlagt. Doch inzwischen plant die zuständige Justizbehörde für 2010 mit 5,0 und von 2011 an sogar mit 5,2 Millionen Euro. Woher die Mehreinnahmen von mehreren Hundert Prozent kommen, erklärt Karen Ullmann, Sprecherin der Justizbehörde: "Die Staatsanwaltschaft hat zwei Wirtschaftsreferenten eingestellt und die Ermittlungen gegen Wirtschaftskriminalität intensiviert."

Dank der verstärkten Aktivität von Polizei und Staatsanwaltschaft seien die Mehreinnahmen von 3,8 Millionen Euro für das Jahr 2010 schon sicher. Obwohl die personelle Verstärkung auf den ersten Blick ein Erfolgsmodell ist, ist noch nicht klar, ob es ausgebaut wird. "Das ist aktuell nicht geplant. Aber es wird geprüft", sagt Ullmann. Hintergrund: Zunächst soll abgewartet werden, ob die Experten wirklich permanent ausgelastet sind.