Ein Gutachter erklärt das verhältnismäßig geringe Strafmaß im Busschläger-Prozess

Hamburg. Im Prozess um die brutale Prügelattacke auf den 19-jährigen Marcel F. in einem Linienbus im Februar dieses Jahres hat das Landgericht Hamburg die beiden Angeklagten, wie berichtet, zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Eine Begründung der Kammer für das vergleichsweise milde Urteil: Die Angeklagten Philip R. und Salim El G., beide 20, waren vor der Tat nie als Gewalttäter in Erscheinung getreten. Es handele sich bei den Angeklagten nicht um "typische Täter", so das Gericht.

Die Kammer stützte sich in der Beurteilung des Angeklagten Philip R. zudem auf ein Gutachten, das sich unter anderem mit den Folgen eines früheren Gewaltdelikts beschäftigte, in das Philip R. im Dezember 2009 als Opfer involviert gewesen war. Damals sei der Angeklagte während einer Prügelei durch Tritte ins Gesicht verletzt worden. Die Täter seien nie ermittelt worden. Diese Traumatisierung, so das Gericht, habe bei Philip R. zu einer deutlichen Wesensveränderung und schließlich dazu beigetragen, dass er im Verlauf des Streits im Bus um die Lautstärke seines Musikhandys so brutal auf die als aggressiv gewertete Ansprache des Opfers Marcel F. reagiert habe. Die Tat sei bei Philip R. affektgesteuert gewesen, so die Richterin.

Dr. Arthur Ballin hat das Gutachten für Philip R. erstellt. Zum konkreten Fall darf er sich nicht äußern, weil das Verfahren noch nicht abgeschlossen und nicht rechtskräftig ist. Zu möglichen Zusammenhängen zwischen erlittenen Verletzungen und späteren Handlungen erklärt der UKE-Oberarzt: "Aus einer psychischen oder physischen Verletzung kann sich eine ernsthafte psychische Erkrankung entwickeln. Diese Erkrankung kann dazu beitragen, dass ein Mensch in einer ähnlichen Situation von Affekten überflutet wird und sein Verhalten weniger gut steuern kann." Eine solche, durch Traumatisierung ausgelöste Erkrankung - so sieht es das Gesetz vor - könne Einfluss auf die Schuldfähigkeit haben.

Ein vereinfachtes Beispiel ohne Nähe zum vorliegenden Fall: "Wenn ein an Schizophrenie erkrankter Mensch sein Gegenüber angreift, weil er es als einen gefährlichen Marsmenschen verkennt, ist er nicht schuldfähig und darf nicht bestraft werden, sondern braucht medizinische Behandlung", so der Experte. Aber: Viele Faktoren müssten vorliegen, um ein Gefüge zwischen Trauma und Tat festzustellen.