Pastorin Astrid Kleist, St. Simeon in Osdorf

Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag ... Die Gedenktage für die Verstorbenen versammeln sich in einem Monat. Ausgerechnet im November, dem Monat also, - von manchen gefürchtet - den in unseren Breitengeraden auch die Natur dem Abschiednehmen weiht. Die Blätter fallen und fallen. Wir können zusehen, wie das Blätterkleid der Bäume stündlich karger wird, bis die eben noch dicht und bunt bewucherten ihre Äste nackt und bloß gen Himmel richten.

Abschied zu nehmen kostet Kraft. Wer trauert, lässt Federn. Wen die Trauer um einen Verstorben trifft, der erkennt sich mitunter selbst nicht mehr.

Dabei trauern Menschen sehr unterschiedlich. Umso mehr ist Vorsicht geboten, die Trauer oder auch vermeintliche Nicht-Trauer eines anderen zu deuten. Dem einen versiegen die Tränen auf unabsehbare Zeit. Ein anderer vermag sie kaum zurückzuhalten. Die eine zieht sich zurück und möchte am liebsten nur alleine sein. Die andere stürzt sich in Aktivität und Geselligkeit, um nur ja der Einsamkeit zu entfliehen.

Eines Toten zu gedenken heißt auch, aushalten zu müssen, wie mit der Erinnerung immer wieder auch Trauer aufsteigt über das, was nicht gut war. Den Schmerz ertragen zu müssen über nicht Geglücktes, Versäumtes in sich zu spüren. Und die bohrende Frage: Habe ich genug geliebt? Warum konnte ich gerade in der letzten Zeit nicht geduldiger sein? Wenn ich gewusst hätte ...

Trauer lässt uns sehr deutlich unsere eigenen Grenzen und Abgründe spüren. Vielleicht, weil durch den Tod eines geliebten Menschen unser Herz anfängt, sorgsamer zu empfinden. "Da reift in uns selbst etwas nach", so beschreibt es der Theologe Jörg Zink. Während der Verstorbene in jener Welt weitergeht, will auf dieser Erde nachreifen, was unserer Liebe gefehlt hat.

Christus redet, wenn er von der Frucht unseres Lebens spricht, von einem Getreidefeld oder von Wein, der an uns wachsen und zu Ende reifen soll.

Für mich sind auch die kahlen Bäume um uns herum zu einem trostreichen Bild dafür geworden, was die Trauer in uns wirkt: Vordergründig betrachtet sind die Bäume Ende November nackt und leer. Aber unter der Oberfläche steht alles auf Leben und rüstet sich für das, was sprießen, wachsen und reifen will, um, wenn es so weit ist, an uns zu fruchten.

astrid.kleist@gmx.de