Als Referent des Kanzlers aus Hamburg führte Peter Walter dessen Ehefrau auf das Bonner Parkett

Hamburg. Sie nannte ihn ihren Zirkusdirektor, er nannte sie sein Zirkuspferdchen - es klingt wie ein Märchen aus fernen Bonner Zeiten! Der ehemalige DDR-Flüchtling Peter Walter aus Klein Satspe/Pommern, Sohn eines in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gestorbenen Busfahrers und einer Reichspost-Schaffnerin, enthüllt mehr als drei Jahrzehnte danach, wie er der Gattin des Bundeskanzlers Helmut Schmidt so nahe kommen konnte.

Es begann an einem regengrauen Tag im Februar 1973, als im Büro des 30-jährigen Beamten im Bezirksamt Hamburg-Mitte das Telefon klingelte und ihm sein Amtschef die eigentlich unvorstellbare Frage stellte, die Jung-Walter glatt "die Luft wegnahm":

Ob er sich vorstellen könne, für den SPD-Spitzenpolitiker Helmut Schmidt in Bonn zu arbeiten? Walter erhielt nach Beendigung seines "fassungslosen Zustandes" eine Denkfrist von zwei Tagen, fuhr danach gen Bonn, setzte sich in einem knapp 50-minütigen Gespräch im Allerheiligsten gegen stärkste Konkurrenz durch ("Helmut Schmidt war - für seine Verhältnisse - sehr freundlich") und trat am 4. Juni 1973 als persönlicher Mitarbeiter des damaligen Finanzministers Schmidt seinen Dienst an. Er erwies sich als "Volltreffer", was ihn zum Persönlichen Referenten des im Mai 1974 gewählten Bundeskanzlers Helmut Schmidt hochkatapultierte. Walter muss zunächst als seltsamer Vogel gegolten haben: "Ein junger Mann, der als Einziger in der Umgebung des Regierungschefs Haar und Bart trägt wie ein Juso", beschrieb ihn eine Journalistin. Der Kanzler rief ihn Jesu und trichterte ihm ein: "Fehler dürfen Sie machen, aber nicht den gleichen zweimal!" Peter Walter wurde Organisations- und Logistikleiter, Verbindungsmann zum Hamburger Senat, Bearbeiter des persönlichen Schriftverkehrs des Kanzlers, Reisemarschall, Wahlkampfspezialist und Geheimkurier. Dann kam Hannelore "Loki" Schmidt, die "eher zurückhaltende, anfangs immer etwas scheue und unsichere Kanzlergattin" ins Spiel: Wer sollte die Dame aus Hamburg auf das eisglatte Bonner Parkett vorbereiten? Natürlich "Jesu"!

Er beantwortete künftig ihre Post, entwarf "kleine Spickzettel", gestaltete Redetexte - und wurde nach und nach zum unentbehrlichen "Zirkusdirektor" und sie zum "Zirkuspferdchen".

"Ich habe nie bereut, diese Aufgabe übernommen zu haben. So viel Herzlichkeit und schiere Dankbarkeit habe ich selten wieder erlebt", schreibt Peter Walter in seinem gerade erschienenen Erinnerungsbuch.

Als "Brahmsee-Referent" erlebte er schöne Dienststunden: "Frau Schmidt hatte die angenehme Angewohnheit, den Sicherheitsbeamten Otto Heuer und mich ein bisschen zu betüdeln. Sie brachte abends ein paar Flaschen Bier - ab und zu mal eine Flasche Jubi. Dann setzten wir uns in die Abendsonne und klönten. Manchmal rief der Chef an, um seiner Frau mitzuteilen, dass er Hunger hätte. Das störte aber nicht besonders, da er mit einer Scheibe Brot zufrieden war. Dann war sie wieder bei uns draußen", berichtet Walter.

Insider-Erinnerungen? Ein Wutanfall des überforderten Regierungschefs etwa: "'Wie ihr mit meiner Gesundheit umgeht, ist unglaublich!', brüllte er, nahm den Stapel Akten vom Tisch und warf sie auf den Fußboden. Stille folgte, dann nahm er die Akten, legte sie wieder auf den Tisch und murmelte: 'Ist doch wahr!'" Später boxte er seinen Referenten und grinste. "So hatten wir uns wieder richtig lieb", meint "Jesu" heute. Oder des Kanzlers Wut über die exzessiven Terminwünsche seiner Wahlkampforganisatoren: "Wünschen Sie mir den Tod?"

Heute lebt Peter Walter, 66, von einer schweren Krankheit gezeichnet, im Ruhestand. Für Helmut Schmidt bleibt er "ein Mitarbeiter und Weggefährte, den ich stets sehr geschätzt habe".