Bürgermeister Ahlhaus über Nonnenmacher, die Koalition und die Bedeutung von Stadtbahn und Elbvertiefung

Hamburger Abendblatt:

Herr Ahlhaus, haben Sie sich das Regieren schwerer oder leichter vorgestellt?

Christoph Ahlhaus:

Weder noch. Die Rahmenbedingungen sind nicht einfach: der Abgang eines populären Bürgermeisters und nur anderthalb Jahre bis zur Wahl. Und dann eine Koalition, die sicher nicht die einfachste ist. Der Start ist CDU und GAL aber gut gelungen. Es war nicht ausgemacht, dass wir das Sparprogramm von einer halben Milliarde Euro in der Koalition gemeinsam hinbekommen.

In der Nonnenmacher-Affäre hatte man zuletzt den Eindruck, der Schwanz wedele mit dem Hund. Die Grünen entschieden, Schwarz-Grün folgt ...

Ahlhaus:

Diese Einschätzung ist falsch. Wir sind keine Getriebenen, und ich lasse mir von niemandem Ultimaten vorschreiben. Dass dieser Eindruck durch einzelne Äußerungen erweckt worden ist, hat bei mir keine Freude ausgelöst. Es mag unterschiedliche Auffassungen in Nebenfragen gegeben haben. Entscheidend ist: Das Ergebnis wird von beiden Seiten 100-prozentig getragen.

Hat die GAL, hat GAL-Fraktionschef Jens Kerstan sich nicht fair verhalten, als er mit dem Koalitionsbruch drohte, falls es heute nicht zur Entlassung des Vorstandschefs der HSH Nordbank, Nonnenmacher, käme?

Ahlhaus:

Dinge, die zu besprechen waren, haben wir intern besprochen.

Welche Konsequenzen haben Sie, hat die Koalition insgesamt aus den Dissonanzen der letzten Tage gezogen?

Ahlhaus:

Ich glaube, dass die Koalition aus dem klärenden Gespräch gestärkt hervorgeht. Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass diese Koalition die Fähigkeit und den Willen hat, gemeinsam gute Politik für Hamburg zu machen. Wir werden allen Kritikern zeigen, dass es kein vorschnelles Ende geben wird.

Aber das sagen Politiker nach solch einem Streit immer. Sind irgendwelche Sanktionen für künftige vergleichbare Fälle vereinbart worden?

Ahlhaus:

Nein. Wir sind Partner und überschütten uns nicht mit irgendwelchen Kindergartenregeln. Die Geschäftsgrundlage ist der Koalitionsvertrag. Wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, besprechen wir das hinter verschlossenen Türen.

Im Fall Nonnenmacher wurde weniger hinter verschlossenen Türen als in Mikrofone gesprochen.

Ahlhaus:

Von mir haben Sie keine Kritik am Koalitionspartner gehört - weder im Fall Nonnenmacher noch sonst.

Es gibt Beobachter, die sagen, dass die öffentliche Diskussion der Bank mehr geschadet hat als die Lehman-Pleite.

Ahlhaus:

Ich ziehe keine Vergleiche. Aber die Diskussionen der vergangenen Wochen haben der Bank natürlich geschadet. Deswegen haben wir die Konsequenz gezogen, den Aufsichtsrat aufzufordern, die Trennung von Herrn Nonnenmacher einzuleiten. Das passiert, um größeren Schaden abzuwenden und einen Neuanfang zu starten.

Herr Nonnenmacher muss gehen, obwohl die Vorwürfe noch nicht belegt sind. Warum wird die Unschuldsvermutung ausgesetzt?

Ahlhaus:

Zu Details möchte ich mich im Interesse der Stadt nicht äußern, dafür bin ich Jurist genug. Hierfür bitte ich um Verständnis.

Wie können Sie den Bürgern erklären, dass die Ablösung des Bank-Vorstandschefs zusätzlich Geld kosten wird, etwa in Form einer Abfindung?

Ahlhaus:

Ich gehe davon aus, dass dieser Schritt insgesamt im Interesse der Haushaltslage der Stadt ist.

Wie können Sie jetzt einen Top-Manager davon überzeugen, an die Spitze der HSH Nordbank zu wechseln?

Ahlhaus:

Das ist nicht meine Aufgabe. Ich gehe davon aus, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper auch diese nicht ganz leichte Aufgabe im Interesse der Anteilseigner bewältigen wird. Er hat mir zugesichert, dass er dazu bereit ist.

Wie viel Zeit hat Herr Kopper?

Ahlhaus:

Dazu werde ich mich öffentlich nicht äußern.

Wo sehen Sie Ihre größten Erfolge nach den ersten 80 Tagen im Amt?

Ahlhaus:

In der Kommunikation mit dem Koalitionspartner. Nach meiner Einschätzung konnte ich die anfängliche Skepsis gegen meine Amtsführung schnell beseitigen.

Wie wichtig ist das Thema Umwelthauptstadt 2011 für Sie?

Ahlhaus:

Das ist das zentrale große Thema im kommenden Jahr. Die Umwelthauptstadt ist für Hamburg eine große Chance. Viele werden auf uns schauen. Wir haben viele Anfragen auch von Unternehmen. Ein großes Ziel muss sein, über das Vehikel Umwelthauptstadt das Interesse an Hamburg zu verstärken. Natürlich müssen wir auch die Menschen in Hamburg für das Thema begeistern.

Ist die Stadtbahn sinnvoll?

Ahlhaus:

Ich bin aus Überzeugung und nicht aus Koalitionsräson für die Stadtbahn. Wir wissen aus Untersuchungen, dass auf den geplanten Strecken ein hoher Bedarf an zusätzlichen Angeboten des öffentlichen Nahverkehrs besteht. Gegenüber den Steilshoopern gibt es zudem schon seit Jahren Versprechungen, die Anbindungen zu verbessern.

Können wir uns die Stadtbahn leisten?

Eine U-Bahn wäre noch teurer. Die Stadtbahn rechnet sich langfristig auch gegenüber einem stärkeren Einsatz von Bussen. Und ein modernes schienengebundenes System ist auch unter Umwelt-Gesichtspunkten die bessere Lösung. Die Kosten verteilen sich über Jahrzehnte und werden zu einem erheblichen Teil vom Bund getragen.

Haben Sie Verständnis für den Protest gegen die Stadtbahn?

Ahlhaus:

Ja, wir müssen die Sorgen der Betroffenen sehr ernst nehmen und uns engagiert damit auseinandersetzen. Aber ich sage auch: Wer verantwortlich Politik machen will, der muss den Mut haben, gegenüber einer zunehmenden Kritik an großen Infrastrukturprojekten den Menschen deren Sinn zu erklären, zu kämpfen und das Projekt durchzusetzen. Die Aufgabe von Politik ist es nicht, den Finger in den Wind zu halten und zu sagen: Oh, das wird schwierig, dann lasse ich das lieber.

Ist der Bundesanteil zur Stadtbahn-Finanzierung gesichert?

Ahlhaus:

Wir bekommen positive Signale aus Berlin. Allerdings ist mir eines grundsätzlich aufgefallen in den ersten Wochen meiner Amtszeit: Der Norden hat gegenüber dem Süden immer wieder das Nachsehen, wenn es um die Verteilung von Bundesmitteln für Infrastrukturprojekte geht. Dass ich überhaupt in Berlin herumrennen muss, um zu erklären, dass die Elbvertiefung ein Thema von nationalem Interesse ist, finde ich bemerkenswert. Das habe ich auch der Kanzlerin gesagt. Es ist offensichtlich leichter, eine Autobahn in Baden-Württemberg zu bauen, als die Elbe zu vertiefen. Da muss Hamburg wesentlich selbstbewusster im bundespolitischen Konzert auftreten.

Was ist nicht gut gelaufen in den ersten Wochen Ihrer Amtszeit?

Ahlhaus:

Wir hätten uns für die Kommunikation der Sparmaßnahmen im Kulturbereich mehr Zeit nehmen müssen, um mit betroffenen Institutionen zu reden. Das ist keine Kritik allein am Kultursenator Reinhard Stuth. Da beziehe ich mich genauso ein.

Das Altonaer Museum wird nun nicht geschlossen. Hat die Kultur eine stärkere Lobby als die Eltern, die nach wie vor mit 30 Millionen Euro bei der Kinderbetreuung zur Kasse gebeten werden?

Die Entscheidung hat sich der Senat nicht leicht gemacht. Im Übrigen gehört zur Aufgabe der Politik, Entscheidungen, die schmerzhaft sind, neu zu überdenken, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.

Heißt das, dass Sie vorhaben, die erwarteten Steuermehreinnahmen unter anderem im Kita-Bereich einzusetzen?

Ahlhaus:

Grundsätzlich gilt: Wenn wir mehr Steuern einnehmen, müssen wir weniger Schulden machen. Ich kann heute über die abschließende Verwendung der Mehreinnahmen keine Prognose abgeben, weil die Summen nicht feststehen. Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist.

Wo sehen Sie sich in einem Jahr?

Ahlhaus:

Auf diesem Stuhl und in diesem Zimmer und als guter Partner in einer sehr konstruktiven und atmosphärisch gut funktionierenden Koalition.