Bus- und Bahnfahren ohne Kleingeld: Der Erfinder ist die Hamburger Firma Hansecom, die das System der Handyfahrkarte auch bundesweit verkauft.

Hamburg. Es sind diese kleinen Albträume des Alltags: Vergebliches Kramen nach Kleingeld, während hinter einem die Schlange am Fahrkartenautomaten immer länger wird. Der Blick des Busfahrers, wenn der Kunde für die Strecke vom Gänsemarkt zum Dammtorbahnhof einen 50-Euro-Schein zückt: Solche Szenen gehören für Millionen Nutzer von Bussen, S- und U-Bahnen zu den Herausforderungen des Stadtverkehrs.

Schon bisher experimentierte der HVV mit Fahrkarten aus dem Internet, doch jetzt geht die Verkehrsgesellschaft offiziell mit HandyTickets an den Start: In Zukunft werden Tausende Hamburger auch ohne Kleingeld in den Bus einsteigen dürfen. Ohne schlechtes Gewissen. Über eine neue Anwendung für das mobile Internet und über eine kostenlose App für das iPhone bietet der HVV ab sofort Bus- und Bahntickets an.

Registrierte Nutzer können sich damit jederzeit über ihr Handy eine Karte kaufen, deren Preis über das Konto abgebucht wird. Der Kontrolleur sieht die gekaufte Karte auf dem Handybildschirm. Sie wird dort auch durch einen 2-D-Barcode individualisiert (s. u.).

Das neue Ticket gilt in insgesamt 13 weiteren Städten

Besonders praktisch: Das HandyTicket geht in 13 Nahverkehrsregionen an den Start. Wer sich einmal als Kunde angemeldet hat, kann neben Karten für den HVV auch Fahrkarten der übrigen Regionen erwerben. Dabei sind etwa Nürnberg (VGN), Dresden (VVO), Münster (MVG), Köln/Rhein-Sieg (VRS) oder Rhein-Ruhr (VRR). Das heißt: Steigt ein Hamburger Geschäftsmann in Dresden aus dem Flieger und in den Bus, kann er auch dort das HandyTicket nutzen, ohne sich vorher in das Bezahlsystem des sächsischen Nahverkehrs einarbeiten zu müssen.

"In München bin ich schon so manches Mal am Fahrkartenautomaten verzweifelt", sagt Nils Schmidt. Und der Chef von HanseCom müsste sich eigentlich mit den Tücken des Nahverkehrs auskennen: Seit gut drei Jahren leitet er das Hamburger Unternehmen, das die HandyTickets entwickelt hat und inzwischen bundesweit verkauft.

Der Coup mit der mobilen Busfahrkarte hat der HanseCom zu einer enormen Wachstumsstory verholfen. Die Firma mit Sitz in Barmbek startete 1990 als gemeinsame Tochter der Hamburger Hochbahn und der Siemens AG. Anfangs arbeitete sie ausschließlich daran, die innerbetriebliche Informationstechnologie der Hochbahn auf den neuesten Stand zu bringen. Heute gehört die Hochbahn durch die Arbeit der Barmbeker Softwarespezialisten zu den effizientesten Nahverkehrsunternehmen Deutschlands.

HanseCom entwickelte sich weiter, über Hamburgs Grenzen hinaus. Die Firma ist heute nach eigenen Angaben Marktführer bei IT-Lösungen für den Ticketverkauf im öffentlichen Nahverkehr. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs von 85 auf derzeit 135. Der Umsatz übersprang schon 2009 die Marke von 20 Millionen Euro. Das Wachstum werde weiter über dem Durchschnitt der IT-Branche liegen, ist Schmidt überzeugt. Für 2011 peilt der studierte Volkswirt und Vater von zwei Kindern schon 150 Beschäftigte und rund 25 Millionen Euro Umsatz an.

Verkehrsgesellschaften planen auch Ortungssysteme für ihre Kunden

Dabei hat der 43-Jährige einen weiteren Trumpf im Ärmel: HanseCom hat die Technologie für eine Chipkarte in der Schublade, die das Busfahren über das HandyTicket hinaus revolutionieren könnte. Es handelt sich um ein Check-in-Check-out-System, bei dem die Verkehrsgesellschaften die Besitzer der Chipkarte orten und so automatisch feststellen können, welche Strecken sie mit dem Bus gefahren sind.

Zwar dürfte sich so mancher Kunde fragen, ob ein Bewegungsprofil bei den Betreibern in guten Händen ist. Schmidt aber ist überzeugt: "Das System ist die Zukunft." Auch der Verkehrsminister unterstützt die Chipkarte. Bald wird Busfahren also nicht nur ohne Kleingeld, sondern auch ohne Handy möglich sein.