Eine Glosse von Diana Zinkler

2014, 13. Juli, Rio de Janeiro, Maracanã-Stadion, WM-Finale zwischen Brasilien und Deutschland. 83 000 Zuschauer, die Menge tobt. Die Seleção will auseinandergenommen werden. Großes Spiel. Wir träumen vom Titel. Alles ist ideal, Ballack dabei, Lahm auch, Müller, Özil, Schweini.

Wäre da nicht weit entfernt, im kleinen Oberhausen, in einem Aquarium unschuldig seine Schwimmarme schwingend, auf einer Schüssel in grün-gelben brasilianischen Nationalfarben sitzend, ein Krake.

Erinnerungen werden wach wie ein dunkler Schatten, der einem das Spiel, ja den ganzen WM-Sommer abschließend so richtig versaut.

Paul II., 300 Gramm schwer, 30 Zentimeter groß, Nachfolger des großen O.O.P., Orakel-Oktopus Paul, hat sich auf den falschen Topf gesetzt. Wir erinnern uns, Paul I. tippte alle Spiele der Deutschen bei der Fußball-WM in Südafrika richtig. Wir waren raus, und die Welt flippte aus. Paul die Krake war der wahre deutsche WM-Star.

Nun ist Paul I. tot und Paul II. übernahm gestern seinen Platz. Wiedergeboren wie der Kopf einer Hydra. Nun wisse man in Oberhausen noch nicht, ob Paul II. auch orakelt. Denn O.O.P. hätte ihn noch anlernen sollen, leider habe ihm der Tod eine Schnippe geschlagen, und der zweite Paul muss nun untrainiert an die Töpfe mit dem Muschelfleisch heranschweben. Was für ein Dilettantismus! Und wir mittendrin.

Das darf nicht sein. Sonst blüht uns Paul in der Endlosschleife. Paul der Erste kam aus England; dass der mit Salz und Essig nicht schmeckt, ist klar. Der zweite aber ist aus dem französischen Montpellier beschafft worden und hat viel schönere Oktopusnoppen. Es gibt nur eine Lösung: 300 Gramm fruits de mer auf Salat oder Pasta. Oder der Krake haut wieder ab. Egal wohin. Nur nicht nach Rio.