"Ich bin getauft!" Mit Kreide soll Martin Luther diese Worte auf einen Tisch geschrieben haben, als ihn - was gelegentlich passierte - Zweifel an seiner Glaubensfestigkeit, an seinen theologischen Positionen und seinem Tun plagten. Und wenn es noch schlimmer kam, wenn er meinte, der Teufel verfolge ihn, dann, so eine Legende, warf er auch mal das Tintenfass gegen die Wand.

Der große Reformator war auch ein großer Zweifler. Unsicherer als andere in seinem Glauben. Er zweifelte daran, ob sein reformatorisches Tun richtig sei, war betroffen darüber, dass sich eine Kirchenspaltung abzeichnete.

Martin Luther war nicht der Glaubensheld, als der er lange dargestellt wurde. Mit seinem Glauben ging vielmehr immer auch der Zweifel einher. Dieser Zwiespalt in seinem Leben macht Martin Luther, der seine geistigen Wurzeln noch im Spätmittelalter hatte, zu einem geradezu neuzeitlichen Menschen. Spätestens mit ihm haben Glauben und Zweifel ihren festen Platz in der Kirche gefunden. Denn eine Kirche der Reformation ist immer auch eine Kirche der von Gott geliebten Zweifler: "Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben", sagt Jesus zu seinem Jünger Thomas, als dieser nicht wahrhaben will, dass er den Auferstandenen vor sich hat. Und doch gibt Jesus Thomas die Möglichkeit, seine Zweifel zu zerstreuen: Er darf seine Hand in die Wunden Jesu legen. So sehr ist Jesus Realist, dass er auch den mit dem Glauben einhergehenden Zweifel ernst nimmt.

Eine lutherische Kirche, die den morgigen Reformationstag mit Überzeugung feiert, tut gut daran, ihre Türen immer weit offen zu halten für die Zweifelnden und Suchenden. Mehr noch. Sie muss auf die Marktplätze unserer Gesellschaft gehen - egal ob politische, wirtschaftliche oder kulturelle -, um dort, wo selbstzufriedene Sicherheit herrscht, Zweifel zu säen. Dort aber, wo nur noch Zweifel wächst, darf sie getrost von der Sicherheit des Glaubens reden. "Ich bin getauft!" - Mich macht diese Zusage zuversichtlich. So sehr, dass ich mich dieser Welt mit all ihren Zweifeln aussetzen kann.

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