Yanfei Wu, 37, aus Peking (China)

Liebe Hamburgerinnen,

liebe Hamburger!

Kompliment: Eure Stadt hat mir schon auf den ersten Blick gefallen! Es gibt so viele Dinge, die hier - das muss ich zugeben - besser sind als in meiner chinesischen Heimat. Die frische Luft zum Beispiel, im Gegensatz zu dem ganzen giftigen Smog in Chinas Großstädten. Die vielen Blumen und Bäume im Gegensatz zu Chinas oftmals kalt verbauten Zentren. Oder das Zukunftsdenken, das sich etwa im super strukturierten öffentlichen Nahverkehr ausdrückt, der das eigene Auto im Alltag praktisch überflüssig macht und dadurch sehr der Umwelt nützt - von solchen Dingen ist China oftmals leider noch weit entfernt.

Ich persönlich genieße zurzeit auch überaus gerne die Ruhe, die mich in Hamburg stets umgibt. Das mag sich für euch vielleicht merkwürdig anhören. Aber lasst mich euch versichern: Was den Lärm angeht, so ist eure Hansestadt im Gegensatz zu einer typischen chinesischen Metropole ein ruhig vor sich hinschlummerndes Dörflein.

Toll finde ich zudem das riesige Kulturangebot Hamburgs. Und dabei vor allem, dass Kultur hier nicht unbedingt Geld kosten muss! Fast immer und überall geben beispielsweise irgendwo ein paar Straßenmusikanten lustige Töne von sich - in China gibt es so was nicht. Wer dort Livemusik hören möchte, muss sich erst einmal eine teure Eintrittskarte fürs Konzerthaus kaufen.

Und noch etwas gibt es, das mich vor euch Hamburgern den Hut ziehen lässt: eure Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit beim Bau. Letztens habe ich eine Baustelle am Jungfernstieg besichtigt und die dicken Stahlgerüste dort bestaunt. Dabei musste ich unweigerlich an meine Heimat denken - und daran, wie sehr in China häufig am Material gespart wird, wenn es darum geht, ein Gebäude zu konstruieren. Hier bei euch in Hamburg habe ich jedenfalls keine Angst, dass mir ein Dach auf den Kopf fallen könnte.

Ein bisschen Kritik möchte ich euch allerdings auch noch mit auf den Weg geben. Erstens: Mir fehlen hier in Hamburg so typisch chinesische Dienstleistungen wie die Nackenmassage in der Mittagspause - in dieser Sache besteht bei euch eindeutig eine Marktlücke. Zweitens: Mir ist aufgefallen, dass wir Chinesen im Leben viel schneller mit dem wenigen zufrieden sind, das wir haben - und dabei trotzdem glücklich und fröhlich. Geht ihr Hamburger doch nur mal einen Nachmittag durch eure wunderschöne Stadt: Wollt ihr euch nicht einfach mal der Gegenwart erfreuen, statt immer nur etwas ängstlich in die Zukunft zu blicken?

Yanfei Wu, Redakteur bei dem Online-Magazin "Beijing Rundschau", nimmt an einem deutsch-chinesischen Journalisten-Austauschprogramm teil.