Eine Glosse von Christian-A. Thiel

Nun steht er also in Mühlen. Totilas, dieses Bild von einem Pferd. Er darf frei herumlaufen, sich den Hafer auf der Zunge zergehen lassen und vor allem das tun, was jeder Hengst gern mag: seine Gene weitergeben. Gut, statt einer leibhaftigen Stute muss er eine mit Leder bezogene Attrappe besteigen. Aber das Millionen-Pferd ahnt nichts von diesem Betrug und genießt sein neues Leben im Oldenburger Münsterland.

Nur zu oft hat die deutsche Pferdezucht ihre gut ausgebildeten Tiere an wohlhabende Prinzen aus dem Morgenland und andere Ein-PS-Fetischisten verloren. Paul Schockemöhle, der jahrelang das Etikett "Reitet für Deutschland" trug, drehte den Spieß einmal um und spendierte der darbenden Reitsportnation für einen zweistelligen Millionenbetrag ein Ausnahme-Dressurpferd. Eben jenen prächtigen Rappen aus Holland.

Doch während Reiterfunktionäre angesichts möglicher Medaillen bei Olympia 2012 in London leuchtende Augen bekommen, ist die R-Frage noch unbeantwortet. Wer soll Totilas reiten? Dressur-Königin Isabell Werth mag sich nicht auf "fertige Pferde" setzen. Christoph Koschel soll auch keine Lust haben. Matthias Alexander Rath, der Totilas immerhin einmal Probe reiten will, muss sich auf seiner Internet-Seite durch Hassmails aus den Niederlanden kämpfen.

Nur der Geschäftsmann Schockemöhle hat aufs richtige Pferd gesetzt. Die Körperflüssigkeiten, die der glückliche Hengst absondert, werden für 6000 Euro je Probe an Züchter in aller Welt verschickt. Das Glück dieser Erde liegt eben nicht nur auf dem Rücken der Pferde.