Wenn ein zum Elektroauto umgebauter Gebrauchtwagen ohne Stopp 600 Kilometer fahren kann und dann noch knapp ein Fünftel Ladekapazität in der Batterie hat, ist das eine Leistung, die aufhorchen lässt. Schließlich kennt man hierzulande eigentlich erst Prototypen und Kleinserienmodelle, die mit Mühe 150 Kilometer weit kommen und dann für acht bis zehn Stunden an die Steckdose müssen, weil sie Starkstromschnellladungen auf Dauer nicht vertragen. Schon jubelt der Wirtschaftsminister, die von ihm geförderte Technik Berliner Tüftler sei nicht nur bahnbrechend, sondern auch serienreif und müsse folglich ein "Welterfolg" werden. Was ja durchaus schön wäre, schließlich ist Deutschland auf Innovationen angewiesen, wenn es nicht auch beim Automobil eines Tages von den Asiaten überrollt werden will.

Komisch ist nur, dass sich bislang kein deutscher Autohersteller fand, der Rainer Brüderles Enthusiasmus teilt. Es dürfte daran liegen, dass die Branche mittlerweile vorsichtiger geworden ist, wenn sie von den Segnungen der Elektromobilität und revolutionären Erfindungen redet. Denn die Experten wissen, dass leistungsstarke Lithium-Batterien - egal mit welcher Technik - nach wie vor exorbitant teuer sind. Es hilft wenig, wenn Autofahrer für den (Öko-)Strom nur drei bis vier Euro pro 100 Kilometer zahlen müssen, das Auto selbst aber zwei- oder dreimal mehr kostet als ein sparsamer Benziner oder Diesel. Deshalb werden in den nächsten Jahren zunächst Hybridfahrzeuge und kleine Stadtstromer reüssieren. Wer vollelektrisch von München nach Berlin fahren will, muss wohl bis mindestens 2020 die Bahn nehmen.