Der Anstoß des Bundespräsidenten, die eigenen Pensionsansprüche zu senken, sollte ein Anlass sein, andere allzu üppige Versorgungsregelungen zu korrigieren

Bundespräsident Christian Wulff hat sich in seinem neuen Amt profiliert. Seine Feststellung vom Tag der Deutschen Einheit, dass der Islam "inzwischen auch zu Deutschland" gehört, und sein Auftritt in der Türkei erweisen sich als stabiler Anker in der verwirrenden Diskussion um Migration, Integration und Einwanderungspolitik.

Wulffs Reden tragen weit in die Zukunft. Der Bundespräsident sollte möglichst bald ein weiteres profiliertes Zeichen mit langfristiger Wirkung folgen lassen. Wulff selbst hat es in einem ARD-Interview am Tag vor seiner Vereidigung bereits angekündigt. Er wolle einen Vorstoß zur Senkung seiner Bezüge nach seinem Ausscheiden aus dem Amt machen, sagte er da. Grund: "Wir alle müssen mit weniger auskommen."

Jeder Bundespräsident, auch Wulffs Ich-bin-dann-mal-weg-Vorgänger Horst Köhler, bekommt nach seiner Amtszeit seine Bezüge von rund 200 000 Euro im Jahr ungekürzt als "Ehrensold" weiter. Eine Sonderregelung für das Staatsoberhaupt, die bisher kaum öffentlich kritisiert wurde. Schließlich sind ihre finanziellen Auswirkungen auf den Staatshaushalt gering. Und Bundespräsident - das ist ja doch ein ganz besonderes Amt.

Allerdings ist die Alterssicherung für eine immer älter werdende Bevölkerung in den letzten Jahren zu einem beherrschenden politischen Thema geworden. Das wird sich noch steigern, wenn ab 2012 das Renteneintrittsalter Jahr für Jahr um einen Monat verlängert wird, bis zur Rente mit 67.

Würde Wulff, 51, als bisher jüngster Bundespräsident nur eine von zwei möglichen fünfjährigen Amtszeiten absolvieren, stünde ihm nach heute gültiger Regelung mit 56 Jahren eine staatliche Pension von rund 17 000 Euro im Monat zu. Das passte dann wirklich nicht mehr in ein Land, in dem ein Durchschnittsrentner knapp 1300 Euro bekommt, und das immer später.

Wulffs Signal zeugt von politischer Sensibilität, hoffentlich löst er damit eine grundsätzliche Diskussion über die Politikerpensionen in Deutschland aus. Es ist ein oft beklagter Missstand, dass Abgeordnete und Minister über Rentenreformen und Kürzungen entscheiden, die selbst von jeder Versorgungs- und Zukunftsangst frei sind. So mancher lang gediente Bundesminister mit vielen Parlamentsjahren kommt locker auf 10 000 Euro Pension im Monat.

Eine Initiative des Staatsoberhaupts zur Kürzung der eigenen Pension sollte auch eine zweite Debatte wieder in Gang bringen, die vor einigen Wochen kurz und heftig entflammte: den Protest gegen den Pensionsskandal bei der Pleitebank Hypo Real Estate (HRE), die nur durch Milliardeneinlagen und Bürgschaften des deutschen Staates am Leben gehalten wird.

Der ehemalige Vorstandschef Axel Wieandt, 44,, der die Leitung der Bank in der Finanzkrise übernahm und nur 18 Monate auf diesem Posten blieb, hat sich dafür eine Pension von jährlich rund 240 000 Euro vom 60. Lebensjahr an zusichern lassen. Ähnliche Regelungen gelten für weitere Vorstandsmitglieder.

Der Skandal wurde in Berlin schnell politisch beerdigt, weil Regierung und Opposition sich nicht wirklich ernsthaft streiten mochten. Als Wieandts Pensionsvertrag ausgehandelt wurde, war noch Peer Steinbrück von der SPD Bundesfinanzminister. Er hätte die Vereinbarung 2008 formal wohl nicht verhindern können, weil die Bank da noch nicht in Staatsbesitz war. Politisch aber gewiss! Ein öffentliches Steinbrück-Donnerwetter plus die Androhung, die Staatshilfe zurückzuziehen - und der Pensionsspuk wäre vorbei gewesen. Doch da waren wohl Steinbrücks Beamte nicht wach genug, dieselben Beamten, die unter ihrem neuen Chef Wolfgang Schäuble versäumten, die ebenfalls skandalösen Bonuszahlungen bei der HRE zu stoppen. So wirken Steinbrück und Schäuble jetzt gleichermaßen düpiert.

Aber es bleibt dabei: 20 000 Euro Pension im Monat für 18 Monate Arbeit von einer Bank, die am Tropf des Steuerzahlers hängt - das ist nicht hinzunehmen. Das zeugt von jener Mentalität, die Bundespräsident Wulff in seiner Rede am 3. Oktober ebenfalls treffend beschrieben hat. In Zusammenhang mit der Finanzkrise sprach er von selbst ernannten Eliten, die sich aus der Gemeinschaft in eine "eigene abgehobene Parallelwelt" verabschiedet hätten.

Christian Wulffs Vorstoß, seine eigene Altersversorgung neu festzulegen, sollte zum Anstoß dafür werden, andere Pensionsregelungen im Einflussbereich des Staates zu überprüfen und notfalls zu korrigieren. Im Fall der HRE wäre die leichteste Lösung: freiwilliger Verzicht des Begünstigten.