Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall.

In ihrer Stimme klingt Wut mit. Empörung über das Unrecht, das sie erdulden musste. Doch vor allem ist da eine tiefe Verunsicherung, das Gefühl, dass das gewohnte Leben einen Bruch erlitten hat. Ihre eigene Wohnung, das eigene Nest - es bietet keinen Schutz mehr, keinerlei Behaglichkeit. Es ist, als habe Martina S. ihr Zuhause verloren.

Die 47-Jährige ist Opfer eines Diebstahls geworden, nüchtern betrachtet. Doch vor dem Amtsgericht, wo die zierliche Frau als Zeugin gegen den Mann auftritt, der sich wegen der Ereignisse vom 23. August vergangenen Jahres verantworten muss, entsteht ein facettenreicheres Bild. Der gravierendere Schaden ist an ihrer Seele entstanden. Ihr Zuhause ist ihr fremd geworden, in ihrem Schlafzimmer habe sie seit jenem Vorfall keine einzige Nacht geschlafen. Und bis heute, mehr als ein Jahr später, sei sie noch mit dem Renovieren beschäftigt, Zimmer für Zimmer, Stück für Stück. Es liegt immer noch eine Menge Arbeit vor ihr. Denn der Mann, der ihr das angetan hat, hat sich nicht damit begnügt, ihre Uhren, ihren Schmuck und ihr Bargeld zu stehlen. Nein, Mario S. hat in der Wohnung der Frau das Unterste zuoberst gekehrt, alles aus den Schränken und Schubladen gerissen, Wandfarbe auf das Bett geschüttet und Lebensmittel ausgekippt. Eine beispiellose Verwüstung.

Wer so etwas anrichtet, muss doch eine irrsinnige Wut gehabt haben. Einen besonderen Zorn auf den anderen, vielleicht wegen einer sehr unschön beendeten Beziehung. Doch der Angeklagte Mario S. schüttelt ratlos den Kopf. Er sei schuldig, räumt der hagere Lkw-Fahrer ein. "Ich kann mich erinnern, dass ich in der Wohnung war." Aber er habe keinen Rochus auf das Opfer gehabt, entgegnet der 35-Jährige auf die Frage des Amtsrichters. "Überhaupt nicht. Ich kannte die Frau vom Sehen, wir haben mal ein Bierchen zusammen getrunken. Sie hat mir überhaupt nichts getan. Es tut mir alles tierisch leid."

Er habe an jenem Abend mit Bekannten in einer Kneipe gesessen, erinnert sich der Angeklagte, habe Bier getrunken und Fußball geguckt und "mir auch andere Substanzen ins Hirn geballert", bekennt er sich zu seinem früheren Kokainkonsum. "Die Martina saß neben mir, und auf einmal hatte ich ihren Schlüssel in der Hand." Wie er zu der Wohnung gekommen ist, wie er die Zimmer durchsucht und das Chaos angerichtet hat, erinnere er nicht mehr, sagt Mario S. Nur dass er eine Schatulle mit Geldscheinen und eine Tasche mit Münzen an sich genommen habe. Seine Beute hatte er anschließend einem Freund gezeigt und ihm auch am nächsten Tag eine Notiz geschrieben: "Moin Dicki, nie wieder Alkohol, mir geht es gar nicht gut!" heißt es da. Und: "Die Erinnerung kommt langsam wieder."

Ein paar Tage später habe er "erst richtig begriffen, was für einen Bock ich geschossen habe", stammelt er. "Da habe ich mich auch geschämt." Doch das Ausmaß der Verwüstung, die er in der Wohnung des Opfers angerichtet hat, hat er weiterhin verdrängt. Als er Fotos aus der Akte sieht, die die unglaubliche Zerstörung dokumentieren, prallt er fassungslos zurück. "Es tut mir von Herzen leid", sagt Mario S. beschämt, an seine Bekannte gerichtet. "Ich weiß, dass ich ein Arschloch bin." "Bist du auch", schießt sie zurück.

An jenem Abend habe sich der 35-Jährige in der Kneipe "neben meine Wenigkeit gesetzt", erzählt die Zeugin. Irgendwann müsse er ihr den Schlüssel aus der Handtasche gestohlen haben. Als sie später in der Nacht nach Hause gekommen sei, "war in meiner Wohnung Chaos. Es sah aus wie Sau. Das meiste konnte ich wegschmeißen." Sie sei damals "zusammengebrochen, die Polizisten wollten schon den Notarzt holen". Irgendwann habe sie aber beschlossen, "neu anzufangen".

Auf eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 7 Euro für den Angeklagten plädiert die Staatsanwältin. Eine verminderte Steuerungsfähigkeit wegen Alkohol- und Drogenkonsums, die strafmildernd berücksichtigt werden müsse, könne nicht ausgeschlossen werden. Dem folgt auch der Amtsrichter und verhängt die beantragten 630 Euro Geldstrafe für Mario S. Besonders schlimm sei die furchtbare Verwüstung der Wohnung, betont der Richter. Und die gravierenden psychischen Folgen für das Opfer. Der Angeklagte solle sich zudem nach Kräften bemühen, Schadens-Wiedergutmachung zu leisten.

Martina S. weiß, dass die Chancen alles andere als rosig sind. Der Täter ist arbeitslos, seit Längerem schon. Bei ihm wird kaum etwas zu holen sein.