Eine Glosse von Achim Leoni

Es würde einem schon so einiges einfallen, wofür sich Politiker in diesen Tagen entschuldigen könnten. Brachiale Polizeieinsätze gegen friedliche Demonstranten, geplante Museumsschließungen, Gesundheitsreform, nur mal als Beispiel. Ein Besuch der Bundeskanzlerin in der Kabine der Fußballnationalmannschaft gehört auf den ersten Blick nicht in diese untere Schublade, auch wenn man dem halbnackten Mesut Özil für die zigfach gedruckte Begegnung mit Angela Merkel obenrum etwas Passendes zum Anziehen gewünscht hätte.

Letztlich ist die "Mutter der Nationalelf" ("Der Spiegel") nach dem 3:0-Sieg gegen die Türkei vor zwei Wochen nur dem Beispiel ihres Mentors gefolgt. Helmut Kohl war der Erste, der erkannte, dass sich in einer Kabine voller Sympathieträger besser punkten lässt als in einem Kabinett voller Schlipsträger. Generationen von Nationalspielern mussten sich vom Kanzler der Einheit so hart zur Brust nehmen lassen, dass einem schon vom Zusehen der Atem wegblieb.

Es gebe denn auch nichts, wofür sich Merkel entschuldigen müsste, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern. Sie habe lediglich ein "klärendes Gespräch" mit Theo Zwanziger geführt. Der DFB-Präsident war offenbar der Einzige, der über den Vorstoß der Kanzlerin ins Herz des deutschen Fußballs erzürnt war. Nicht etwa, weil er das für eine unlautere Instrumentalisierung des Sports zu politischen Zwecken hielt. Zwanziger war doch tatsächlich beleidigt, dass der Damenbesuch seiner Jungs nicht mit ihm, sondern mit Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff vereinbart war. Bierhoff fand, dass das Özil-Foto eigentlich ein gutes Dokument für gelungene Integration sei, und gab es zur Veröffentlichung frei.

Trotzdem will Edelfan Merkel vor dem nächsten Abstecher ins Sperrgebiet bei Zwanziger um Erlaubnis fragen. Ob die Spieler einverstanden sind, hat übrigens niemand gefragt. Aber das wäre von der Politik wohl auch zu viel erwartet.