Massive Investitionen in den maritimen Standort Hamburg bedeuten eine höhere Steuerlast, mehr Lärm und mehr Abhängigkeit von globalen Warenströmen

Es geht wieder aufwärts, die Hamburg Port Authority (HPA) und der Unternehmensverband Hafen Hamburg finden langsam zu den markigen Zahlen der vergangenen Jahre zurück: Es gehen wieder mehr Container über die Kajen, der Feederverkehr, also der Zubringerdienst zu den großen Containerschiffen, nimmt zu, und auch beim Massengut fällt das Wachstum ersehnt zweistellig aus. Zwar erholt sich der Umschlag nicht so schnell wie bei der ewigen Konkurrenz in Rotterdam, aber immerhin.

Schon scheint auch die Zahl von 25 Millionen Standardcontainern (TEU) pro Jahr wieder greifbar, die noch der ehemalige Wirtschaftssenator Uldall an den Wachstumshorizont malte. Vergessen die während der Wirtschaftskrise drastisch unter Beweis gestellte Abhängigkeit Hamburgs von der globalen Entwicklung. Derzeit wird in der Wirtschaftsbehörde mit Hochdruck an einem neuen Hafenentwicklungsplan gearbeitet. Hier sollen die zentralen Leitplanken für die zukünftige Entwicklung der maritimen Wirtschaft der Hansestadt skizziert werden. Erneut wird ein ganzer Reigen von Aus- und Umbauvorhaben zu Papier gebracht, bunte Pläne gemalt und die zentrale Bedeutung des Hamburger Hafens für ganz Deutschland betont. Erneut wird man in diesem Perspektivpapier allerdings eines vermissen: Seit mehr als 30 Jahren reift die Erkenntnis, dass es Grenzen des Wachstums geben wird - manche erkennen sie bereits heute.

In der Wissenschaft wird mittlerweile nicht nur vom Peak Oil gesprochen, Peak Everything gilt als viel wahrscheinlicher. Die endlosen Warenströme von den Werkbänken des Fernen Ostens, die zum Glücklichsein hierzulande kaum noch jemand wirklich braucht, werden irgendwann, möglicherweise schon bald, abreißen.

Und sollten die Berufspessimisten nicht recht behalten, wird es trotzdem konkret und erschreckend, wenn man sich ein Hamburg mit 25 Millionen Containern Umschlag pro Jahr tatsächlich vor Augen führt. Bereits bei knapp zehn Millionen Boxen im Jahr 2008 waren die Straßen verstopft und die Hafenbahn überlastet. Endlose Lkw-Staus und ein Aufschrei der Logistik-Branche, die ihre Just-in-time-Versprechen nicht mehr halten konnte, trieben schon fast hilflose Politiker vor sich her.

Die Zauberformel, wie dieser "Boom" zu bewerkstelligen sei, konnte man wie gewohnt bei der Hamburger Handelskammer nachlesen: Hafenquerspange, Ost- und Westumfahrung Hamburgs, schnelle Realisierung der A 26 und vor allem die nächste Elbvertiefung. Weitere Hafenbecken sind zuzuschütten, das Eurogate-Container-Terminal zu erweitern und Steinwerder umgehend zu realisieren.

Diese Ausbauwut bedeutet auch: deutlich höhere Steuerlasten für die Allgemeinheit, mehr Lärm und exzessiven Flächenverbrauch in den betroffenen Regionen sowie eine noch stärkere Abhängigkeit von globalen Warenströmen. 400 Millionen Euro für die Eurogate-Erweiterung, die gleiche Summe für das Centrale Terminal Steinwerder (CTS) und 150 Millionen für die nächste Elbvertiefung - alles kein Problem für Hamburgs Sparhaushalt. Wollen wir dies wirklich? Ist es nicht Zeit, die klassischen und meist einfachen Wachstumsmaximen zu hinterfragen?

Der Hamburger Hafen muss uns sicher auch in Zukunft etwas wert sein. Unbestritten. Aber endloses Wachstum wird es nicht geben. Daher muss spätestens jetzt, wo die politische Seifenblase "Hafen finanziert Hafen" noch schneller geplatzt ist als viele angenommen haben, in Politik und Gesellschaft ein Nachdenken über veraltete Patentrezepte einsetzen. "Wachse oder weiche" ist kein Naturgesetz und eine verringerte Abhängigkeit von krisenanfälligen Globalisierungsgeschäften ein ausgesprochen wertvoller "Standortvorteil" für einen Stadtstaat.

Der neue Erste Bürgermeister Ahlhaus durchschreitet derzeit zwar politisch eine schwarz-grüne Talsohle. Gleichwohl braucht die Stadt jetzt einen ernsthaften Diskussionsprozess in Hamburg über den zukünftigen Stellenwert des Hamburger Hafens, seine Finanzierbarkeit und seine Einbettung in die Stadtentwicklung. Es würde von wegweisender Gestaltungskraft zeugen, Grenzen des Wachstums auch für den Hafen zu formulieren und im neuen Hafenentwicklungsplan deutliche Akzente für den viel beschworenen Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie zu setzen.