Mit Schiffsfinanzierern, Banken, Reedereien, Werften und Zulieferern könnte ein Wirtschaftszweig untergehen, wenn jetzt nicht gegengesteuert wird

Der maritime Standort Deutschland ist bedroht. Die Probleme der Emissionshäuser, die massive Zurückhaltung der Anleger sind unübersehbar. Ebenso die Probleme der schiffsfinanzierenden Banken, viele davon Landesbanken, denen der Umbau ihres Systems unmittelbar bevorsteht. Vielen Reedereien geht es kaum besser. Nicht zuletzt stehen die wenigen verbliebenen deutschen Werften mit noch weniger deutschen Eigentümern vor einer schwierigen Zukunft, die oft noch schwärzer geredet wird als die des deutschen Systems der Schiffsfinanzierungen auf Basis der Kommanditgesellschaften.

Es steht eine Menge auf dem Spiel. Erstaunlicherweise scheinen sich alle Akteure in das Unabwendbare fügen zu wollen. Kein Gegenplan, nirgends. Das Bundeswirtschaftsministerium hat bisher wenig Interesse an einem Rettungsplan für das maritime Cluster gezeigt, der Weinbau scheint manchem wichtiger. Auch die beiden am meisten betroffenen Städte Hamburg und Bremen haben sich nicht gerade überanstrengt, wenn es um die Zukunft ihrer maritimen Wirtschaftszweige geht.

Heute sind laut dem Bundeswirtschaftsministerium rund 400 000 Arbeitskräfte in Deutschland in der maritimen Wirtschaft tätig. Der Gesamtumsatz dieser Industrie liegt bei 75 Milliarden Euro im Jahr. Der größte Sektor ist dabei der Gesamtbereich der Seeschifffahrt mit rund 65 000 Beschäftigten auf See und 22 000 an Land (davon etwa 30 000 deutsche Beschäftigte) und einem Umsatz von mehr als 30 Milliarden Euro in 2008. Der zweit- und drittgrößte Sektor sind die maritime Zulieferindustrie mit über 70 000 Beschäftigen und 13 Milliarden Euro Umsatz sowie der Schiffbau mit rund 21 000 Beschäftigten und einem Umsatz von knapp 6 Milliarden Euro.

Dabei beschränkt sich die Bedeutung des maritimen Sektors nicht allein auf die Küstenregionen, denn die Zulieferindustrie ist vor allem auch in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen angesiedelt. Die Zukunft des maritimen Standorts Deutschland ist also nicht nur eine Frage für "Fischköppe". Gleichwohl täte Hamburg gut daran, sich mehr mit Hafen und Schifffahrt zu beschäftigen. Denn insgesamt sind in der Metropolregion Hamburg etwa 166 000 Arbeitsplätze direkt und indirekt vom Hafen abhängig. Das sind auf Hamburger Gebiet rund 13 Prozent aller Arbeitsplätze. Keine Peanuts.

Die maritime Wirtschaft hätte diese Bedeutung niemals erlangen können, wenn es nicht das in dieser Form weltweit einzigartige Finanzierungssystem über Schiffsfonds und starke deutsche Schiffsbanken gegeben hätte. Von den weltweit 4669 Containerschiffen gehörten 1742, also rund 35 Prozent, im Jahr 2009 deutschen Eignern. Damit liegt Deutschland in diesem Segment auf Platz 1. Diese expansive Flottenpolitik war nur möglich, weil es Fremd- und Eigenkapital in Deutschland in ausreichendem Maß gab. Die Lage soll nicht beschönigt werden. Es wurden - das wissen wir heute - zu viele Schiffe bestellt. Natürlich haben Reedereien, Emissionshäuser und Banken zu sehr auf das Wachstum des Marktes, die fortdauernde Kraft der Globalisierung vertraut. Dabei wurden Risikosysteme außer Acht gelassen. Auf allen Seiten.

Der maritime Wirtschaftsstandort Deutschland wird nicht von China gerettet. Das müssen wir schon selbst tun. Dafür bedarf es einer ziemlichen Kraftanstrengung. Wir brauchen das System der Kommanditgesellschaften für die Bereitstellung von Eigenkapital, wir brauchen Schiffsbanken und Reedereien. Und wir brauchen auch die Werften und die wichtige Zulieferindustrie, die eher in Süddeutschland sitzt. Jetzt sollten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen. Die Initiative kann von den Küstenländern ausgehen, vom Bund oder den Reedern. Gebraucht wird eine konzertierte Aktion zur Zukunftssicherung des maritimen Clusters. Der Schifffahrtsstandort Deutschland hat eine Zukunft: Wenn sich die Banken nicht aus dem Neugeschäft zurückziehen. Wenn nicht doch reihenweise Schiffsfonds in die Notverkäufe bei Verlust des Eigenkapitals getrieben werden. Wenn die Emissionshäuser innovative Fondsstrukturen entwickeln und die Reedereien bei den Fonds mehr ins Eigenkapital gingen. Wenn die Werften sich anstrengen und ihre Chancen im Spezialschiffsbau nutzen.

Wir müssen uns auf den Weg machen, das maritime Cluster vor dem Niedergang zu schützen. Das geht nicht ohne die Politik. Sie soll die Wettbewerbsbedingungen der Schifffahrt so fortentwickeln, dass die Branche auch in Zukunft den globalen Wettbewerb am deutschen Standort meistern kann.

Torsten Teichert, 53, ist Vorstandsvorsitzender des Hamburger Emissionshauses Lloyd Fonds.