Wolfgang Schneider, Universität Hildesheim, hat kürzlich die Studie "Kulturpolitik für Kinder" vorgestellt. Darin wird der Kulturpolitik der bisherigen Kultursenatorin Karin von Welck bescheinigt, dass sie Hamburg beim Thema Kinderkultur in die Spitzenposition gebracht hat. Nun warten viele gespannt, ob Kultursenator Reinhard Stuth das Projekt fortsetzt.

Im Jahr 2004 entschied der Senat, die Stadt solle eine "Modellregion für Kinder- und Jugendkultur" werden. Der Funke zündete. Fast jede Kultureinrichtung, viele Kulturvereine und Stiftungen, viele Privatpersonen haben seitdem neue Kinder- und Jugendangebote entwickelt. Trotzdem ist die Stadt erst am Anfang. Seit 2004 war es Frau von Welck gelungen, rund sechs Millionen Euro von Privatseite für die Modellregion zu mobilisieren. Der Senat selbst hält sich mit Haushaltsmitteln zurück. Auf dem Haushaltstitel für Kinderkultur ist nicht mehr Geld als vor Entscheidung für die Modellregion, weniger als 1,5 Millionen für den gesamten Bereich der Kinderkultur, für alles, Musik, Kunst, Theater, Medien.

Und ist es nicht typisch, dass die aktuellen Sparentscheidungen des Senats im Kulturbereich vor allem Kinder- und Jugendprojekte treffen? Das höchst erfolgreiche Junge Schauspielhaus ist in Gefahr, Bücherhallen sind ein kultureller Bildungsort für Kinder und Jugendliche, auch der "KinderOlymp" im Altonaer Museum soll verschwinden, obwohl erst kürzlich von einer unabhängigen Jury als vorbildliches Bildungsangebot für Kinder ausgezeichnet.

In Hamburg leben 276 000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Das sind 16 Prozent der Bevölkerung. Erhalten sie auch 16 Prozent Aufmerksamkeit, 16 Prozent vom Kulturetat? "Kinder haben ein Recht auf Kunst und Kultur!" liest man in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. "Doch wenn in Deutschland von Kultur die Rede ist, geht es meist nicht um Kinder. Und wenn von Kindern gesprochen wird, geht es meist nicht um Kultur" (Wolfgang Schneider).

Die Gesellschaft ist längst gespalten. Es gibt Menschen, die haben Kinder. Aber diese Menschen geben nicht den Ton an. Und da sind Menschen, die nicht mit Kindern leben, in deren persönlichen Leben sie keine Rolle spielen, eventuell sogar stören. Denken wir an die Debatte, ob "Kinderlärm" hingenommen werden muss oder nicht. Viele Verantwortliche haben keine Kinder oder erleben ihre eigenen Kinder nur am Wochenende. Diese Menschen geben den Ton an. Die Welt der Menschen mit Kindern ist eine Parallelgesellschaft geworden.

Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie in Göttingen, sagt, Kinder brauchen vor allem zweierlei: Bindung und Anregungen, "innerlich zu wachsen". Gerade Kunst und Kultur sind hier ein Königsweg! Es sind die Eltern, die ihre Kinder zum Instrumentallehrer schicken - oder nicht. Zu viele Kinder und Jugendliche hängen vor Fernsehern und an Spielkonsolen, sind orientierungslos, haben mangelnde Fähigkeiten, sich auseinanderzusetzen. Die Künste als Hilfe zur sozialen Einbindung, zur Sublimierung, als Medium der "Erfreuung und Erregung" haben sie nicht kennengelernt. In den Schulen stehen immer noch die kognitiven Fähigkeiten vorn. Seit PISA wurden die künstlerischen Fächer weiter geschwächt. Gestärkt wurden die "PISA-Fächer" Lesen, Mathematik, Sprachen.

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: "Zur Erziehung eines Kindes braucht man ein ganzes Dorf." Das Dorf sind wir alle! Die Bildungspolitik, die Sozialpolitik, die Kulturpolitik, die Stadtplanung, die kinderfreundlichen Architekten, die Journalisten und viele andere mehr. Die Schulen sollten Bildung vermitteln, die alle Kompetenzen fördert, die kognitiven, die emotionalen, die körperlichen, aber auch die ästhetischen. Ergänzend zur Schule brauchen wir bezahlbare Musik-, Kunst- und Theaterschulen. In den Mal-, Tanz- und Theatergruppen, Musikvereinen, Chören und Orchestern erhalten die Kinder Einbindung und Anregungen. Warum hat nicht jede Zeitung eine Kinderseite? Ki.Ka reicht doch nicht!

Die Idee der Modellregion ist auch für Menschen mit Migrationshintergrund gut. Kultur und Kunst verbinden. In unseren Grundschulen sind zu 43 Prozent Kinder, die einen Migrationshintergrund haben und eingebunden werden wollen.

Hoffentlich steht der Senat weiterhin zum verheißungsvollen Projekt der Modellregion für Kinder- und Jugendkultur! Weil sie den Kindern mehr Einbindung ermöglichst im "Dorf Hamburg", Anregungen gibt und Perspektiven aufzeigt zum innerlichen Wachsen.