Der Leiter der “Zeit“-Stiftung meint, es müsse zwar auch in der Kultur gespart werden, warnt den Hamburger Senat aber davor, per Dekret zu zerstören.

Hamburg begann, sich ein neues, elegantes Image zuzulegen - als Kulturstadt. Das ist fünf Jahre her. Die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas wurde zwar noch hintangestellt, stattdessen verwies man auf die soeben bewilligte Elbphilharmonie, die alles andere ohnehin überstrahlen würde und Hamburg den Platz im Olymp der Kultur sichere.

Diese kulturelle Aufbruchstimmung erfasste Politiker, Wirtschaftskapitäne, Journalisten, Künstler, Mäzene, Kunstvermittler, Verantwortliche in der Verwaltung und schließlich die Bürger. Dieser Begeisterung begegnet die Stadt heute mit erschreckender Geringschätzung. Da behauptet Hamburg, eine Kulturmetropole zu sein, nicht die vielgeschmähte Stadt der Pfeffersäcke: Und nun schlägt der Senat mit den Kultursparplänen zu. Natürlich muss gespart werden. Jeder Kulturschaffende weiß das und versteht wahrscheinlich mehr vom Sparen als viele Politiker, lebt doch kaum ein anderer Berufsstand so sehr von Selbstausbeutung wie Künstler und Kulturvermittler. Aber sparen wollen heißt nicht per Dekret zerstören.

Wer Abend für Abend im Schauspiel unsere Gegenwart beleuchtet, wer Tag für Tag in Ausstellungen die Relevanz des kulturellen Erbes für die Gegenwart spürbar macht, der verdient es, gehört zu werden. Mit ihr und ihm muss die Politik zusammen Konzepte für das Kulturerbe unserer Stadt erarbeiten, nicht ohne sie, nicht gegen sie.

Die Aufbruchstimmung der letzten Jahre hat eine große Zahl kulturell aktiver Menschen in Hamburg zusammengebracht. Was für ein Potenzial vergeudet die Stadt, wenn sie diese Personen jetzt ausschließt, draußen vorlässt oder gar vertreibt!

Wer im Altonaer Museum erlebt hat, wie sich Unverständnis und Wut zu manifestem Unmut addieren, weiß, dass gehandelt werden muss. Das Altonaer Museum und Schauspielhaus sind sicher noch nicht Stuttgart 21, aber die Solidarität der Altonaer, der Schauspielhaus-Freunde und der Bücherhallen-Nutzer muss von der Politik ernsthaft aufgegriffen werden und in tragfähiges Handeln münden. Die zahlreichen Solidaritätsbekundungen kommen von Bürgern, die die Kulturpolitik mitnehmen muss. Sie muss ihre Sparpläne überdenken und das Gespräch suchen. Ein runder Tisch ist das mindeste, was der Kultursenator möglichst umgehend anbieten sollte.

Denn die Akzeptanz der Elbphilharmonie bröckelt weiter. Nicht allein die hohen Baukosten, sondern die Höhe der jährlichen Betriebskosten kommt in den Blick. Die - so befürchten viele - werde weitergehende Einschnitte in das bestehende Kulturleben nach sich ziehen. Welches Museum wird das nächste sein?

Schon jetzt schaut man aus anderen Städten voller Unverständnis auf das reiche Hamburg. Der Flurschaden ist groß. Hat man wirklich alles bedacht? Sind alle Möglichkeiten mit der Kulturtaxe bereits ausgereizt? Könnte man nicht, statt brutal zu schließen, eine ganz andere Stoßrichtung wählen? Vielleicht wäre das betuliche, allzu regional verhaftete "Altonaer" Museum ganz neu zu denken. Beispielsweise als modern konzipiertes, internationales "Museum des Nordens", das Skandinavien bis zum Nordpol mit einschließt, nicht nur die Geschichte der Wikinger erzählt oder das Wattenmeer schildert, sondern auch die Entwicklung des schwedischen Sozialstaatsmodells beleuchtet oder die nordische Begeisterung für grausame Kriminalromane. Der Museumsdirektor hatte ein Konzept für eine große Sonderausstellung zum Norden vorbereitet. Die Vorlage könnte der Anstoß zu einer Neuausrichtung sein.

Es gibt andere Wege zu sparen als Schließungen, und es gibt andere Wege des kooperativen Umgangs als Spardekrete "von oben". Die Kulturpolitik unserer Stadt kann jetzt eine große Chance zum intensiven Kulturdialog nutzen, der für das kulturelle Leben einer Stadt mindestens so wichtig ist wie Kulturpaläste. Nutzt sie die Chance nicht, geht sie sehenden Auges auf ein kulturelles Chaos zu, was für Hamburg fatal wäre.