Es war eine behutsame Begegnung. Der Mann, der seit Tagen mit mir in einer Pilgergruppe unterwegs war, tastete nach Worten. "Ich muss Ihnen etwas sagen ...", begann er. "Ich glaube nicht an Gott. Ist das schlimm?" Es muss für ihn eine große Überwindung gewesen sein, mir das zu sagen. Ich spürte seine Erleichterung, es ausgesprochen zu haben. Freundlich sah ich ihn an und wartete eine Weile: "Was wollen Sie mir damit sagen?" "Na, ich stehle doch Ihre Zeit und habe vielleicht einem treuen Gläubigen einen Platz weggenommen ..." Ich hakte nach: "Denken Sie, dass Sie es nicht wert sind, hier zu sein? Ich freue mich, dass Sie da sind." "Na ja, ich zahle keine Kirchensteuer und trete nicht ein, und Sie werden mich nicht zum Glauben bewegen ..." Ich musste schmunzeln: "Aber irgendetwas hat Sie doch bewegt, hier mitzugehen." Da platzte es förmlich aus ihm heraus: "Es ist ja alles so schön und ergreifend, und ich spüre, welch große Sehnsucht ich danach habe, und doch ist mir alles so fremd: beten, glauben, Gott ..."

Das Gespräch mit diesem Mann ist längst nicht abgerissen, es hat eher begonnen auf diesem Weg. Aus seiner großen Abwehr gegen Gott, den Glauben und die Kirche ist offene Neugier und ein freundliches Abtasten geworden.

Solche Begegnungen machen mich dankbar, denn ich erlebe sie als heilsame Momente, in denen der Himmel nah in unser Menschenleben hineinrückt. Es ist ein Geschenk, wenn ein Gespräch so in die Tiefe geht und auch die Intimität der religiösen Dimension nicht ausschließt. Die Behauptung, nicht zu glauben, erlebe ich manchmal eher als einen Schutz vor missionarischer Vereinnahmung und unsensibler Glaubensarroganz.

Glaube ist aber gerade deswegen so schützenwert, weil er an die tiefen Schichten des Menschen rührt, an das, was uns unbedingt angeht, wo es um Tragik, Tränen und auch wahrhaftiges Glück geht.

Ich bin so dankbar, wenn es zu solch behutsamen Gesprächen kommt. Wenn Religion allmählich wieder als das wahrgenommen werden kann, was sie auch ist: Tiefe, Lebenskunst und Weisheit, ein kostbares Geschenk. Deshalb werde ich an Erntedank Gott für diese behutsamen Begegnungen danken, in denen er den Himmel öffnet.

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