Der Klimaforscher warnt vor dem Missbrauch der Ozeane. Bisher hätten sie die Erderwärmung abgefedert, doch wir sollten dieses Experiment nicht auf die Spitze treiben.

Die Meere ächzen. Wir Menschen bürden ihnen immer mehr Lasten auf. Die Ozeane leiden unter dem globalen Klimawandel. Derzeit treffen sich 200 Wissenschaftler in Bremerhaven, um über die zunehmende Versauerung der Ozeane durch das Treibhausgas Kohlendioxid zu beraten. Wir missbrauchen die Meere als Müllkippe. Egal, ob Öl, Gifte, Plastik, Kunstdünger oder Abwässer: "immer rein ins Meer". So lautet unser gegenwärtiges Motto. Das Meer erscheint unermesslich groß. Was kann das bisschen Abfall schon anrichten? Es wird schon damit fertig werden! Seine Hilferufe hören wir nicht. Das Meer macht sich nicht durch Geräusche bemerkbar. Nein, es akkumuliert unsere Sünden und ändert sich langsam, kaum wahrnehmbar.

Es ändern sich seine Temperatur, sein Salzgehalt, seine chemischen und biologischen Eigenschaften. Es ändern sich ganze Ökosysteme. Und es ändert sich höchstwahrscheinlich sehr vieles, von dem wir noch nicht wissen. Die Messungen sprechen eine eindeutige Sprache, die des Ozeanwandels. Und dessen Auswirkungen sollten wir schleunigst verstehen lernen, denn es steht nicht weniger als das Wohlergehen der Menschheit auf dem Spiel.

Wir stehen am Scheideweg. Schaffen wir es, die Meere zu schützen, oder sind wir lernunfähig? Wir Menschen verbrennen gewaltige Mengen fossiler Brennstoffe (Öl, Kohle und Erdgas) zur Energiegewinnung, wodurch das Gas Kohlendioxid in die Atmosphäre entweicht. Die Folgen des vom Menschen verstärkten Treibhauseffekts sind unübersehbar. Fast alle Gletscher sind rapide auf dem Rückzug; die arktische Eisbedeckung hat sich in 30 Jahren um etwa 30 Prozent verringert; der Meeresspiegel ist im 20. Jahrhundert um knapp 20 Zentimeter gestiegen.

Die Meere haben bisher den Klimawandel abgefedert und uns damit einen großen Gefallen getan. Sie haben fast die Hälfte des Kohlendioxids geschluckt, das wir seit dem Beginn der Industrialisierung in die Luft geblasen haben. Und der Ozean hat einen beträchtlichen Teil der durch den zusätzlichen Treibhauseffekt erzeugten Wärme aufgenommen. Noch helfen uns die Meere, die vielen Sünden zu kaschieren. Aber wie lange noch?

Durch den ungebremsten Ressourcenverbrauch der Menschheit ändern sich die Verhältnisse zunächst allmählich; so, wie es in den Meeren zu beobachten ist. Allerdings zeigt sich in Modellen, dass Systeme, seien sie ökonomischer oder biologischer Natur, innerhalb kürzester Zeit und praktisch ohne Vorwarnung kippen können, mit dramatischen Folgen für die Menschheit.

Die Erwärmung setzt die marinen Ökosysteme unter einen enormen Anpassungsdruck. Viele Organismen besitzen keine große Temperaturtoleranz. Zu ihnen gehören einige tropische Korallenarten, die im Falle einer Erwärmung von deutlich mehr als einem Grad nach heutigem Kenntnisstand dem Tode geweiht wären - und mit ihnen das einzigartige, von ihnen abhängige Ökosystem. Im schlimmsten Fall würden sich die tropischen Ozeane nach Klimamodellrechnungen bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als zwei Grad erwärmen, das Aus für vermutlich alle tropischen Korallen.

Gleichzeitig führt die Kohlendioxidaufnahme zu einer Versauerung der Meere. Diese ist ebenfalls messbar und betrifft vor allem die polaren Gewässer, denn die Löslichkeit für Kohlendioxid ist umso höher je kälter das Wasser ist. Die Meeresversauerung ist ein weiterer Stressfaktor. Dazu kommen weitere Stressfaktoren wie die schleichende Vergiftung der Meere - die spektakulären Ölunfälle wie jüngst der im Golf von Mexiko sind nur die Spitze des Eisbergs.

Nach heutigem Ermessen werden die Meere nicht in der Lage sein, sich ohne schwere Schäden anzupassen, sollten wir sie immer mehr belasten. Die Folgen sind nur schwer zu berechnen, können aber durchaus katastrophal sein. So könnte sich die Effizienz der Kohlendioxidsenke Meer verringern, was die globale Erwärmung beschleunigen würde. Auch könnte die ohnehin nicht nachhaltig genutzte Nahrungsquelle Meer (Überfischung) schweren Schaden nehmen, was den Hunger auf der Welt dramatisch verschärfen würde. Und genau deswegen sollten wir unser Experiment mit der Erde nicht fortsetzen.

Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig. Sonne und Wind beispielsweise sind praktisch unbegrenzte Energiequellen. Sie können die Grundlage unserer zukünftigen Energieversorgung bilden. Damit verringerten sich der weltweite Kohlendioxidausstoß und damit die Versauerung der Meere wie auch die globale Erwärmung und deren Einfluss auf das marine Leben. Wir sollten von der Natur lernen. Das wird die Meere schützen und vor allem uns Menschen.