Beim neunten Abendblatt-Bürgerforum informierte der Anwaltverein über Geldanlagen

Neustadt. Wenn es der Geldanlageberater vermurkst, müssen Anleger im schlimmsten Fall mit ihrem Vermögen geradestehen. Nach der Pleite von Lehman Brothers vor zwei Jahren ist die Dienstleistung der Banken auch ins Fadenkreuz der Justiz geraten. Welche rechtlichen Schritte können Betroffene einleiten, wenn sie einen Schaden durch eine Falschberatung erlitten haben? Darüber informierten beim neunten, von Abendblatt-Leserbotschafter Ralf Nehmzow moderierten Bürgerforum das Hamburger Abendblatt und der Hamburgische Anwaltverein (HAV). Die Rechtsanwälte Matthias W. Kroll und Sarah Lemke beantworteten die Fragen der Zuhörer.

Wann liegt eine fehlerhafte Beratung vor?

Matthias W. Kroll:

Der Berater ist gesetzlich verpflichtet, den Kunden zu "explorieren". Das heißt, er muss sich über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse informieren, um davon ausgehend eine risikogerechte Geldanlage anzubieten. Der Berater muss zudem detailliert über das Anlageobjekt aufklären: Wie ist die Bonität des Anbieters, wie hoch das Haftungskapital? Bestehen Zins-, Kurs- und Währungsrisiken? Verstößt er gegen diesen Grundsatz, können Schadenersatzansprüche bestehen. Meist gegen die Bank, in seltenen Fällen gegen den Berater. Wenn sogenannte Kick-Backs, also verdeckte Provisionen, an den Bankberater gezahlt worden sind und der Kunde darüber nicht aufgeklärt worden ist, hat er Anspruch auf Rückabwicklung des Anlagevertrages.

Wie erkennt man, dass Kick-Backs gezahlt worden sind?

Kroll:

Provisionen fließen in aller Regel, wenn eine Bank Produkte einer fremden Kapitalanlagegesellschaft verkauft. Auf diese Zahlungen muss der Bankberater zwingend hinweisen. Verschweigt er sie, gelten auch die üblichen Verjährungsfristen nicht. Beispiel: Haben Sie Ende der 80er-Jahre einen Fonds gezeichnet, ohne über Kick-Backs informiert worden zu sein, können Sie noch heute auf Rückabwicklung des Anlagevertrages pochen.

Ich habe Lehman-Papiere im Februar 2007 bei einer Bank gezeichnet. Kann ich noch Schadenersatz fordern?

Sarah Lemke:

Vermutlich wird hier das alte Wertpapierhandelsgesetz angewendet. Das heißt, für Papiere, die vor dem 5. August 2009 gezeichnet wurden, gilt eine taggenaue Verjährungsfrist von drei Jahren, die mit dem Kaufdatum beginnt. Nach diesem Stichtag beginnt die Frist erst mit dem Ablauf des Jahres.

Mein Berater hat im Gespräch keine Kick-Backs erwähnt, die waren aber im Prospekt aufgeführt. Ist er damit zivilrechtlich aus dem Schneider?

Lemke:

Sie sind nicht verpflichtet, einen 200 Seiten langen Prospekt zu lesen. Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil zur Beratungshaftung herausgestellt, dass ein Berater, wenn er unzureichend aufklärt, haftet - selbst wenn die Risiken in dem Prospekt aufgelistet sind.

Die Banken argumentieren bei Streitfällen vor Gericht oftmals, der geschädigte Anleger habe doch Erfahrung im Umgang mit Geldanlageprodukten. Wie lässt sich der tatsächliche Kenntnisstand nachweisen?

Kroll:

Das Gericht wird ermitteln, ob der Kläger ähnliche oder gleich gelagerte Papiere schon zuvor gezeichnet hat. Hat er es, kann eine gewisse Erfahrung angenommen werden. Hatte er zum Zeitpunkt der Beratung solche Papiere nicht in seinem Depot, hat er Anspruch auf eine umfassende Beratung.

Ich habe Immobilien-Fonds gekauft und erhalte seit zwei Jahren keine Ausschüttung mehr. Ich soll jedoch die Gewinne der Fonds versteuern.

Lemke:

Sie haben vermutlich geschlossene Fonds erworben, sich also im Prinzip an einem Unternehmen beteiligt, daher tragen Sie das Risiko entsprechend mit. Also müssen Sie auch die Gewinne, die die Gesellschaft erwirtschaftet, versteuern. Im schlimmsten Fall müssten Sie bei so einem Anlagemodell sogar Geld nachschießen.

Der Anwaltverein bietet den "Anwaltsuchdienst". Auf Anfrage werden geeignete Rechtsanwälte genannt. Internet: www.hav.de oder Telefon 01804/31 43 14.