Journalisten müssen anstößig sein und verlässliche Informationen liefern. Das bleibt ihr Kerngeschäft - im Internet, aber auch in der gedruckten Zeitung.

Journalisten reden sehr gern über ihre eigene Befindlichkeit. Sie teilen leichter aus, als sie einstecken. Und obwohl sie ständig Ratschläge geben, wie in Not leidenden Branchen restrukturiert und dezentralisiert werden muss, fühlen sich Journalisten, wenn es um sie selber geht, von allem bedroht, was nach Veränderung aussieht: sei es das Internet, ein Newsroom, das iPad oder free content.

Dabei muss guter Journalismus die digitale Welt nicht fürchten. Er wird, egal ob gedruckt, gemailt, getwittert oder gesendet, überleben. Axel Ganz, langjähriger Verlagsmanager bei Gruner + Jahr, der viele Zeitschriften mit großem Erfolg auf dem Markt platziert hat, bringt es auf den Punkt: "Die Zukunft des Journalismus liegt im Journalismus." Aber was heißt das?

Der epochale Wandel wird nichts daran ändern, dass der Grundnahrungsstoff - die Nachricht - auch in Zukunft der Kern des Geschäftes bleibt. Nachrichten wird es im Internet auf vielen Plattformen geben. Die hochwertige Nachricht aber, die verlässlich und relevant ist, sauber recherchiert und verständlich aufbereitet - dies bleibt die Aufgabe des Journalisten. Und seine Arbeit ist nicht kostenlos zu haben. Hochwertige Nachrichten zu liefern ist teuer. Nachrichten sind eine Ware und sie haben ihren Preis. Nachrichten müssen besser kapitalisiert werden. Die Verleger müssen den Kampf gegen große Konkurrenten wie Google aufnehmen, die nichts bezahlen für die Inhalte, von denen sie leben.

Was wir hochhalten müssen, sind journalistische Standards, die für unsere Arbeit unentbehrlich sind: die faktensichere Berichterstattung, die den Regierenden auf die Finger schaut, die Mächtigen im Lande kontrolliert und den Bürgern gibt, was sie brauchen - verlässliche Informationen, um sich selber eine Meinung bilden zu können.

Es geht bei diesem Anspruch um die Kontrollfunktion des Journalisten (oder nennen Sie es Wachsamkeit, klingt nicht so hochtrabend). Ein freier, funktionierender Rechtsstaat braucht hartnäckig recherchierenden Journalismus.

Wo Macht ist, ist auch Vertuschung. Wo Macht missbraucht wird, müssen Journalisten anstößig sein (damit meine ich nicht unanständig). Journalismus kann aber und darf im besten Sinne Rufschädigung im demokratischen Auftrag sein.

In Amerika sind die Zustände allerdings alarmierend. Der amerikanische Politikberater und Wahlkampfexperte Darrell West berichtete, dass im Wahlkampf für die bevorstehenden Kongresswahlen in den USA die über Internet verbreiteten Unwahrheiten und Verleumdungen der Regierung eine größere Rolle spielen als je zuvor. Vor allem über die Gesundheitsreform, die Präsident Barack Obama nur mit großer Mühe und vielen Kompromissen durchpauken konnte, werden von Vertretern der Republikaner und der konservativen Tea-Party-Bewegung Unwahrheiten lanciert wie die, dass Versicherte künftig keine freie Arztwahl mehr hätten. Weil seriöser Journalismus kein Gegengewicht mehr darstellt, weil "der amerikanische Journalismus praktisch zusammengebrochen ist", wie West sagt, bleiben solche Aussagen unwidersprochen.

Durch die Finanzkrise sind viele Zeitungen in den USA eingestellt worden. "Niemand unter 30 abonniert noch eine Zeitung in den USA", so West, die sozialen Medien, wie er die Internetdienste Twitter oder Facebook nennt, hätten in diesem Wahlkampf eine größere Bedeutung als je zuvor.

Nein, das Netz wird die klassische Zeitung nicht killen, auch wenn die Zeitung als Massenprodukt ihre beste, renditeträchtige Zeit hinter sich hat. Die Verleger sollten erkennen, dass sie künftig mehrere Geschäftsfelder haben statt nur eines. Es geht in Zukunft nicht um das Entweder-oder, sondern um das Sowohl-als-auch.

Die Zeitung bleibt die Zeitung. Und die Zeitung im Netz ist keine Ergänzung, kein Abfallprodukt und kein Restverwerter. Es ist ein separates Geschäft und eine völlig andere Form von Nachrichtenjournalismus.

Neben dem kommerziellen Erfolg muss die Presse auf ihre vornehmste Aufgabe achten: den freien Informations- und Meinungsaustausch zu garantieren, der überhaupt erst allen ermöglicht, in einer freien Gesellschaft zu leben. Die Zeitungen im Netz müssen erst noch lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, sich die Marke und dazu das Geld verdienen. Die Websites leben bis jetzt weitgehend von den Zeitungsredaktionen. 85 Prozent aller Nachrichten, die ins Internet kommen, gehen auf Recherchen der Zeitungsjournalisten zurück.

Man muss sich also nicht als Nostalgiker verhöhnen lassen, wenn man versucht, die klassische Tageszeitung zu verteidigen. Selbst wenn die Online-Angebote genug Geld einbringen würden, um alles allein produzieren und senden zu können, ist doch eines klar: Der Nachrichtenjournalismus im Netz wird nie in die Tiefe gehen oder den investigativen Journalismus ersetzen können. Die Zukunft der Zeitung kann auch digital sein. Es geht darum, die unabhängig, sauber recherchierte Nachricht zu verteidigen - ein Kulturgut, das essenziell wichtig bleibt für unsere Demokratie.

Dieser Text ist eine gekürzte Version der Rede zum 40-jährigen Bestehen der Akademie für Publizistik in Hamburg.