Die innerparteiliche Diskussion in der CDU treibt ihrem Höhepunkt entgegen, der Vorstellung des neuen Buches der konservativen Leitfigur Roland Koch (Titel: "Konservativ") durch die Parteivorsitzende Angela Merkel (unter Verdacht, nicht konservativ genug zu sein) am 4. Oktober in Berlin. Hoffentlich bringt der Termin Klarheit und Wegweisung, denn langsam beginnt die Debatte Parteimitglieder und Beobachter zu überfordern.

Beispiel dafür: eine Zeitungs-Analyse des furiosen Medienaufstiegs von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und seiner Frau Stephanie. "Das größte Paradox bei all dem ist", heißt es dort, "dass der Oberfranke eine der konservativsten Bastionen schleift - die Wehrpflicht - und doch als populärster Konservativer weit und breit gilt."

Paradox? Keineswegs! Wenn konservativ zu sein etwas mit "Haltung und Gestus" (so Friedrich Merz) zu tun hat, wenn es ein "Lebensgefühl" (so Günther Beckstein) ausdrückt und dabei die "Sekundärtugenden" (so Wolfgang Bosbach) wichtig sind, dann erfüllt Guttenberg dieses Anforderungsprofil perfekt. Die passende Politik dazu muss von Werten und Grundsätzen geleitet sein. Und sie muss das Ziel haben, Wichtiges und Sinnvolles zu bewahren (lat. conservare).

Man bewahrt die Bundeswehr aber nur, indem man sie für aktuelle und zukünftige Aufgaben weiterentwickelt. Dafür braucht sie keine Wehrpflichtigen mehr. Man bewahrt die Bundeswehr nicht, indem man sie für immer so lässt, wie sie schon heute nicht mehr zeitgemäß ist. In diese Richtung gingen ja die ersten Reflexe von SPD-Chef Gabriel und CSU-Chef Seehofer, als Guttenberg das Aussetzen der Wehrpflicht vorschlug. Diese Reflexe waren nicht konservativ, sondern eher denkfaul.

"Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert." So hat der italienische Schriftsteller Tomasi di Lampedusa das Wesen konservativer Politik formuliert. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) bezog sich seinerzeit auf diesen Satz, als er mit der "Agenda 2010" den Versuch unternahm, das deutsche Sozialsystem so zu verändern, dass es bewahrt werden kann.

Die SPD hat sich von diesem alles in allem erfolgreichen Projekt inzwischen gelöst. Am kommenden Sonntag will sie auf ihrem Parteitag einen weiteren Bestandteil verantwortungsbewusster konservativer Politik infrage stellen, den sie vor wenigen Jahren mitgestaltete: die Rente mit 67, durch die das Rentensystem finanzierbar bleiben soll. Seine Partei habe zuletzt "vor allem die Rentner und Transferempfänger angesprochen, aber nicht die Generation der Jüngeren", kritisiert der an den Rand gedrängte Peer Steinbrück die SPD. Womit er ihr im Grunde abspricht, noch eine Volkspartei sein zu wollen. Da kann die CDU froh sein, dass sie ihre Konservativismus-Debatte überhaupt hat. Sie bietet ihr die Chance, eine vielschichtige Volkspartei zu bleiben.

Die Bundeswehrr-Reform und die Rente mit 67 sind zwei Beispiele, mit denen Angela Merkel ihre Politik den Konservativen in der CDU erklären könnte. Die Kanzlerin sollte das allerdings nicht nur bei der Buchvorstellung tun, sondern offensiv auch in den nächsten Wahlkämpfen. Ihre Strategie, möglichst geräuschlos auf ihren Amtsbonus zu setzen und politische Konfrontation zu vermeiden, hat ihr zwar mit der FDP den Sieg bei der Bundestagswahl 2009 eingebracht. Aber diese Strategie ist nicht wiederholbar, denn sie hat auch dazu geführt, dass die CDU nur 33,8 Prozent der Stimmen bekam und darüber ihre Orientierung verlor - was sich nun mit Vehemenz im Streit um den Begriff "konservativ" entlädt.

Ein anderer Grund für die CDU-Krise steckt im Untertitel des Buches von Roland Koch: "Ohne Werte und Prinzipien ist kein Staat zu machen." Diesen Grundsatz wird gewiss auch jede andere Partei für sich beanspruchen, aber für eine konservative Formation ist er in der Tat lebenswichtig. Merkel hat ihn im ersten Jahr der schwarz-gelben Koalition nicht immer beherzigt. Etwa, als sie sich viel zu lange den Steuersenkungs-Plänen der FDP hingab. Das Wichtigste, was es in Deutschland zu bewahren gilt, ist ja der Staat selbst. Wer ihn durch Überschuldung schwächt, darf sich nicht konservativ nennen.

Symbol einer Politik, der Werte und Prinzipien völlig abhandengekommen waren, ist noch immer das Milliardengeschenk an eine einzelne Branche, die sogenannte Hotelsteuer. Ihr hat allerdings auch das damals noch von Roland Koch regierte Hessen im Bundesrat zugestimmt ...