Gute Noten für Hamburgs Personennahverkehr. Experte: “Was die Technologie der Busse angeht, spielt Hamburg in der Königsklasse.“

Hamburg. Die Hamburger Hochbahn gibt im Umwelthauptstadt-Jahr richtig Gas. Allerdings vollkommen schadstofffrei. Ab Frühjahr 2011 werden nach und nach zehn Brennstoffzellenhybrid-Busse im Linienverkehr eingesetzt, ein weltweit einmaliges Projekt. Die Busse mit dem sperrigen Namen fahren allein mit Wasserstoff aus Strom regenerativer Energiequellen, das einzige, was hinten rauskommt, sind Wasserdampf und Wärme, so Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum. Zudem werden die zwei Dieselhybrid-Busse, die 30 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen, ab kommendem Jahr um acht weitere ergänzt.

"Was die Technologie der Busse angeht, spielt Hamburg in der Königsklasse", sagt Carsten Wilms. "Mit absoluter Vorbildfunktion." Der Verkehrsexperte arbeitet für den ADAC. Dass der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) "einen wirklich guten Job" macht, erkennt er jedoch neidlos an. Nicht umsonst verpasste Hamburg in einem europaweiten ADAC-Test der Verkehrsbetriebe nur ganz knapp die Note "sehr gut". Ein großes Plus des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Hamburg ist die Schnelligkeit. Die Verbindungen in die Innenstadt sind um ein Drittel schneller als im europäischen Durchschnitt. Außerdem, so Wilms, gebe es hier kaum Beschwerden über ausfallende Busse und Bahnen. Bezogen auf alle Einwohner nutzt jeder Hamburger den ÖPNV jährlich für rund 260 Fahrten. In München sind es 230 Fahrten, in Berlin 210.

"Hamburg ist eine klare ÖPNV-Stadt", sagt auch Professor Udo Becker von der Fakultät für Verkehrswissenschaften an der TU Dresden. Kein Wunder, wurde doch die Idee, Verkehrsunternehmen zu einem Verbund zusammenzuschließen, vor 45 Jahren in Hamburg geboren. Heute fahren mehr als 30 Unternehmen aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen im HVV, darunter die Hochbahn, die Busse und U-Bahnen betreibt, die S-Bahn und die Fähren der HADAG.

Dass es immer noch etwas zu verbessern gibt, zeigen ein paar Vergleiche: Zum Beispiel erreicht jeder Hamburger im Radius von maximal 600 Metern eine Bahnstation. In Berlin ist es ähnlich, in München sind es zu allen Haltestellen nur maximal 400 Meter. Dafür fahren Bahnen und Busse in München am Wochenende nur bis 2 Uhr nachts, in Hamburg fahren sie durch. Unter der Woche kommt man nachts jedoch in Berlin am besten voran, dort fahren die Metrobusse auf den Linien der U-Bahnen. Zudem können Fahrräder in der Hauptstadt zu jeder Zeit mit in die Bahnen genommen werden, in Hamburg gelten Sperrzeiten, die in der Stadtentwicklungsbehörde jedoch auf dem Prüfstand stehen. Allerdings fahren Räder im HVV kostenlos mit, in allen anderen Verbunden kostet die Mitnahme. Der Anteil an barrierefreien Haltestellen soll in Hamburg von derzeit 46 auf 60 Prozent bis Ende 2012 erhöht werden - damit wäre man aber erst auf dem jetzigen Stand von Berlin. Dafür will der HVV ab Anfang Oktober das erste Internetportal anbieten, auf dem der aktuelle Betriebszustand der Haltestellenaufzüge abgerufen werden kann.

Was jedoch den Umstieg auf Bus und Bahn vom Auto erschwert, sind fehlende Park+ride-Plätze. Hamburg hat mehr als 300 000 Pendler, aber nur 19 400 Stellplätze. Wilms: "Wir brauchen mindestens 50 000 Plätze, vor allem in den Außenbezirken."

Tatsache ist jedoch: Der HVV ist beliebt. Die Fahrgastzahlen steigen - in den vergangenen fünf Jahren jährlich im Schnitt um vier Prozent. Und auch das Angebot wächst. 2002 wurde das schleswig-holsteinische Umland angeschlossen, 2004 die drei niedersächsischen Umlandkreise. Seit drei Jahren fährt die S-Bahn bis nach Stade, seit 2008 bis zum Flughafen. Seit zwei Jahren läuft die "Busnetzoffensive", drei Linien wurden verlängert, zwei neue geschaffen. Selbst die Busse an sich sind gewachsen: Auf der Linie 5 fahren 25 XXL-Busse, die je 180 Fahrgäste fassen. Und natürlich gibt es da noch die neue U4 in die HafenCity. Während sich die Tunnelbohrmaschine noch Richtung Jungfernstieg frisst, wird in der Stadtentwicklungsbehörde die Verlängerung der Strecke in die östliche HafenCity geprüft. "Elbbrücken" könnte die Station nahe des Chicago Sqares heißen. Aus Sicht von Carsten Gertz, Professor für Verkehrsplanung an der TU Harburg, ein sinnvoller Plan. "Es ist wichtig, das Bahnnetz weiterzudenken", sagt er. Gerade über die Elbe Richtung Süden. Auch bei der S4 müsse Hamburg am Ball bleiben, um den Hauptbahnhof zu entlasten. Der Ausbau ist gefährdet, weil der Bund ihn nicht für notwendig hält und kein Geld dazugeben will. "Hamburg hat schon bei der Stadtbahn, einer ganz wichtigen Querverbindung, zehn Jahre verloren", sagt Gertz. "Jetzt herrscht ein stärkerer Wettbewerb um Bundesmittel."

Kollege Udo Becker hätte ebenfalls viel früher auf Straßenbahnen gesetzt. Seine Vision: Mehr S-Bahn-Linien und zwischen allen Haltestellen ein Netz aus Straßenbahnen. Hätte Hamburg das durchgezogen, anstatt sich in den vergangenen Jahrzehnten auf Autoverbindungen in die Innenstadt zu konzentrieren, so Becker, wäre sie jetzt die "Umwelthauptstadt des Planeten".