Ole von Beusts folgenreicher erster öffentlicher Auftritt als Privatmann: Der Ex-Bürgermeister könnte ausgerechnet das Talent verlieren, das ihn so beliebt gemacht hat - seine Stilsicherheit

"Er hatte seinen Zauber verloren." Mit diesem Satz führt der amerikanische Autor Philip Roth den Helden in seinen aktuellen Roman ein. Es ist ein alternder berühmter Schauspieler, der sein größtes Talent verloren hat: Er kann nicht mehr spielen. Beraubt um seine Stärke, taumelt er durch den Rest seines Lebens, verletzt andere Menschen, vor allem aber sich selbst.

Ole von Beusts größte Stärke als Erster Bürgermeister von Hamburg war stets seine auf einer souveränen Stilsicherheit gründende Leichtigkeit. Amtsführung und Lebensstil ergänzten sich zu einem modernen hanseatischen und damit weltstädtischen Profil.

Das machte den landadeligen Weltstädter zu einer ebenso beliebten wie respektierten Persönlichkeit und zu einer Ikone all derer, die das Gestrige bewahrt sehen und gleichzeitig in der Zukunft ankommen wollen. Mit seiner Stilsicherheit überstrahlte der so wohltuend moderne CDU-Politiker sogar, je länger er im Amt war, dass er nur mithilfe des unappetitlichen Rechtspopulisten Ronald Schill die jahrzehntelange Macht der SPD in Hamburg hatte brechen können.

Lässig im Auftreten und klar im Kopf regierte er wie ein Stadtpräsident, als ein Bürgermeister für alle, der selbst von seinen Gegnern bewundert wurde.

Wann der Außergewöhnliche begann, gewöhnlich zu werden, lässt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Seine Reden wurden matt, seine Auftritte fahriger und sein Regierungshandeln müde.

Dann trat er zurück - nun schon gewöhnungsbedürftig gewöhnlich. Wochenlang hatte er sich schweigend durch Gerüchte demontieren lassen. Schließlich flüchtete er, "durchgenudelt" (Beust über Beust) von den Anstrengungen des öffentlichen Lebens, ins Private und ließ sein größtes politisches Projekt - die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene - im Stich und viele Fragen offen.

Er verließ das hohe Amt, das er mit so viel Würde ausgefüllt hatte, ohne Stil und ohne Rücksicht und verschwand in den Strandkörben von Sylt.

Ole von Beusts Rückkehr in die Öffentlichkeit ist dem ehemaligen Stilisten - offenbar ausgelöst von einer glücksbedingten Pause des Verstandes - erstaunlich misslungen. Er wählte dafür den Tag der Regierungserklärung seines Nachfolgers - ein politischer Fauxpas.

Der bisher promiallergische Urlauber erschien ausgerechnet bei der Eröffnung eines neuen Ladens von Giorgio Armani - einer Art Party also, die er früher stets wegen zu großer Oberflächlichkeit offensiv ignoriert hatte. Und der 55-Jährige kam, befreit und glücklich wirkend, erstmals mit seinem Partner - einem 19-jährigen Medizinstudenten.

Wenn ein gestandener Mann mit einem so viel jüngeren Menschen an seiner Seite auftritt, egal, ob mit einem Mann oder einer Frau, riskiert er, im öffentlichen Ansehen an Ernsthaftigkeit zu verlieren. Ein Mann von Format und Intellekt landet plötzlich im Blitzlicht wie Matthäus mit Liliana. Damit stellt von Beust das Stilempfinden der Hamburger Bürger nach seinem merkwürdigen Rücktritt zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen auf eine harte Probe.

Es gibt nur zwei Hamburger Bürgermeister, die auch nach ihrer Amtszeit noch Bedeutung haben. Wenn Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau das Wort ergreifen und damit wichtige Debatten anstoßen, hört die ganze Stadt, manchmal sogar das ganze Land, zu. Ole von Beust hatte gute Chancen, das Gleiche zu erreichen. Er ist auf bestem Wege, diesen Vertrauensvorschuss zu verspielen.

Wenn man ein Talent hatte und es nicht mehr hat, bleibt einem selbst natürlich immer etwas anderes als allen anderen, schreibt Philip Roth im Roman "Demütigung" über seinen unglücklichen Schauspieler. "Ich werde immer anders sein als alle anderen", lässt er seinen Helden sagen, "und zwar weil ich bin, wie ich bin. Das bleibt mir - an das wird man sich immer erinnern."

Das könnte von Beust sein.

Claus Strunz, 43, ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.