Der in Heidelberg geborene Romani Rose ist Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.

Hamburger Abendblatt:

1. Wenn Sie Vorsitzender des Zentralrats französischer Sinti und Roma wären, wie würden Sie auf Frankreichs Politik reagieren?

Romani Rose:

Uns bereiten die Abschiebungen und die stigmatisierende Politik große Sorgen. Präsident Sarkozy verstößt gegen das EU-Recht. Jeder Bürger der EU hat innerhalb der EU das Recht auf Reisefreiheit. Diese können sich zumindest für drei Monate in jedem EU-Land aufhalten, wenn sie selbst für sich sorgen. Die Roma sind Bürger Europas. Auch für sie müssen diese Rechte gelten.

2. Welche Gründe gibt es für die harte Politik gegen Sinti und Roma in Frankreich?

Rose:

Präsident Sarkozy will Härte demonstrieren. Dabei lenkt er mit dieser Strategie nur von der Kritik an seiner Politik ab. Die Roma sind Sündenbock für seine verfehlte Politik.

3. Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat Sarkozys Politik mit den Verfolgungen der Roma im Zweiten Weltkrieg verglichen. Ein überzogener Vergleich?

Rose:

Die damaligen Deportationszüge brachten unsere Menschen in die Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Diese Verbrechen mit den heutigen Abschiebungen zu vergleichen, wäre eine Relativierung der Nazi-Verbrechen an den 500 000 Sinti und Roma im besetzten Europa. Es ist aber, und da stimme ich Frau Reding zu, unerträglich, wenn nach den Ereignissen im Nationalsozialismus Menschen nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit diskriminiert und mit Einsatz von staatlichen Stellen aus dem Land verwiesen werden.

4. Wie gut klappt es mit der Integration der Roma in Deutschland?

Rose:

Die 70 000 deutschen Sinti und Roma sind gut integriert. Viele leben seit Generationen hier in Familien und haben Arbeit. Es gibt hier keine Roma-Lager wie in Frankreich. Dennoch werden Roma auch aus Deutschland abgeschoben. Vor allem in den Kosovo, wo Roma während der Balkankriege vor den Säuberungen geflohen sind. Doch im Gegensatz zu Frankreich wird jeder Einzelfall behördlich geprüft. Es gibt keine Kontingentabschiebungen.

5. Was fordern Sie von der deutschen Regierung bei der Politik gegenüber Roma?

Rose:

Deutschland hat besondere Verantwortung aufgrund des systematischen Massenmordes an Sinti und Roma während des Dritten Reiches. Zwar hat die Bundesrepublik die deutschen Sinti und Roma als nationale Minderheit anerkannt. Dennoch erleben sie auch hier Rassismus in ihrem Alltag. Ich wünsche mir, dass Kanzlerin Merkel genauso offensiv gegen Antiziganismus das Wort erhebt, wie sie es bei Fällen von Antisemitismus macht.