Die Lehman-Pleite hat die Vormachtstellung der USA erschüttert.

Als vor 21 Jahren die Berliner Mauer und damit der real existierende Sozialismus fielen, schien die Welt übersichtlicher zu werden. Der damalige US-Präsident George Bush sprach von der "neuen Weltordnung", der US-Politologe Francis Fukuyama rief gar das "Ende der Geschichte" aus. Die USA gingen als Sieger aus dem Wettstreit der Systeme hervor, sie triumphierten als einzig verbliebene Weltmacht.

Technologisch, militärisch und wirtschaftlich ist die Spitzenstellung der USA bis heute ungebrochen - aber unangefochten ist sie nicht mehr. Denn die Krise, die die Vereinigten Staaten derzeit durchleiden, ist tiefer und vor allem langwieriger, als es lange aussah. Die Pleite der Investmentbank Lehman, die nun zwei Jahre zurückliegt, hat nicht nur die Bankenlandschaft, sondern das gesamte Land erschüttert. Und alles deutet darauf hin, dass die Krise noch längst nicht ausgestanden ist. Während China oder Brasilien die Weltrezession nur als kleinen Dämpfer wahrgenommen haben und Staaten wie Deutschland längst wieder wachsen, verharren die USA im Tal. Dramatisch ist dabei die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Noch vor wenigen Monaten schauten viele deutsche Ökonomen neidisch über den Atlantik - inzwischen ist die Arbeitslosigkeit in den USA mit 9,6 Prozent deutlich höher als in Deutschland mit 7,6 Prozent. Auch wenn sich beide Zahlen nur begrenzt vergleichen lassen, die Tendenz ist eindeutig. In den USA wächst das Heer der Joblosen, in Deutschland schrumpft es. Besonders brisant für die Vereinigten Staaten ist dabei das neue Phänomen der Langzeitarbeitslosigkeit - und des grassierenden Pessimismus.

Mit der Wirtschaft verschieben sich auch die Gewichte in der Welt. Der Einfluss der USA schwindet, die Macht Chinas wächst. Besonders gefährlich ist diese neue Weltordnung vor dem Hintergrund der Verzahnung der beiden größten Volkswirtschaften, die Wissenschaftler lange als Chimerica bezeichnet haben. In den vergangenen Jahren hatte, vereinfacht gesagt, China die Waren produziert und gleichzeitig den Konsum in den USA über zinsgünstige Kredite finanziert. Bis zur Erschütterung der Märkte ging diese Rechnung auf - nun, weil Amerika sparen muss, trägt sie den Kern des Scheiterns in sich. Und auch wir Deutschen sollten uns nicht von der hohen Wachstumsdynamik blenden lassen - in der Euro-Zone nehmen die Ungleichgewichte gefährliche Ausmaße an. Die Welt im Jahre drei nach Lehman ist deutlich unübersichtlicher geworden.