Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt über den kuriosesten und spannendsten Fall der Woche.

Im ersten Moment sah es noch ganz undramatisch aus. Eine kleine Reiberei, nichts Ernstes. "Ich dachte, na ja, es ist halt Zickenalarm", erzählt Beate K. von damals, als es bei einem Spaziergang im Volkspark mit ihrer Partnerin nicht so glatt lief. Das Sturschalten ihrer Geliebten, die steife Oberlippe, die beleidigte Miene. Doch aus der Zickerei wurde schnell durchaus handfester Ärger - mit schmerzhaften Folgen. Und schließlich gipfelte die Beziehung zweier Frauen, die als Internetbekanntschaft begonnen hatte und als zeitweilig prickelndes Verhältnis weiterlief, im Desaster. Ein emotionaler Super-GAU, der strafrechtliche Folgen hat.

Von Anziehungskraft ist nun, fast ein Jahr nach den Ereignissen vom 20. September 2009, rein gar nichts mehr zu spüren. Von Sympathie oder Harmonie erst recht nicht. Jetzt im Verhandlungssaal des Amtsgerichts herrscht zwischen den beiden Frauen, die früher ein Paar waren, Eiszeit. Und so setzt auch die 47-jährige Angeklagte Beate K., der vorgeworfen wird, ihrer Ex-Freundin Margit D. unter anderem den Arm zerkratzt sowie ihr an den Hals gefasst und sie gewürgt zu haben, zu einer glühenden Verteidigungsrede an.

Sie habe die 57-Jährige durch eine Website kennengelernt, erzählt die Angeklagte, eine Berlinerin mit energischem Kinn und lebhaften Gesten. Man habe einander mehrfach besucht. Aber irgendwann habe sie sich von Margit D. doch "genötigt gefühlt mit ihren sexuellen Bedürfnissen". Am Tattag seien sie noch gemeinsam spazieren gegangen, doch als ihr Handy wiederholt klingelte, habe sich daran ein Streit entzündet. Also habe sie früher als geplant zurück nach Berlin reisen und deshalb schnell ihren Rucksack, der noch in der Wohnung der Freundin war, zurückhaben wollen. Sie leide an Epilepsie, erklärt Beate K., "in dem Rucksack waren Medikamente, die ich dringend brauchte. Doch Margit ist einfach stoisch sitzen geblieben, obwohl sie doch wusste, dass ich einen Krampf kriegen könnte", redet sich Beate K. in Rage, und Tränen vor Wut und Enttäuschung drohen ihre Stimme zu ersticken. "Und da habe ich sie gepackt und vor Wut und Angst und Panik auf den Rasen geworfen." Sie habe "einfach nur Schluss machen wollen, Ruhe haben vor dieser Frau", schluchzt die Angeklagte. "Aber ich brauchte doch dringend meine Tabletten. Eigentlich hätte ich Anzeige erstatten müssen. Ich schwöre bei Gott: Ich habe die Frau nicht vorsätzlich verletzt!" Umgekehrt wolle Margit D. ihr Böses: "Sie hat mich hinterher schlechtgemacht im Internet, das ist Rufmord!"

Doch das will die 57-jährige Zeugin, die auch als Nebenklägerin in dem Verfahren auftritt, nicht auf sich sitzen lassen. Empörung spiegelt sich im blassen kantigen Gesicht der Hamburgerin, dazu Entschlossenheit und Kampfeslust. Und so schildert die Frau mit dem Kurzhaarschnitt lebhaft, wie sich plötzlich bei ihrer früheren Freundin "das Wesensbild verändert" habe, als sie damals während des Spaziergangs auf einer Parkbank Rast machten. "Sie wurde aggressiv, sie riss mir die Uhr vom Arm, setzte sich auf meine Oberschenkel und packte mich am Hals."

Sie habe ihre Freundin aufgefordert, ruhiger zu werden, dann werde sie auch den Rucksack holen. Dass Beate K. regelmäßig wichtige Medikamente einnehmen müsse, habe sie zwar gewusst, aber "nicht, dass die im Rucksack waren", sagt Margit D. Anstatt sich zu beruhigen, habe Beate K. sie plötzlich zu Boden gestoßen. Sie sei "erschüttert, dass man von einer Frau solche Gewalt erfährt. Ich habe wochen- und monatelang nicht schlafen können wegen meiner Schmerzen", klagt sie. Sie selber, betont die 57-Jährige, sei "immer nur in Abwehrhaltung gewesen".

"Passiv", nennt das eine Zeugin, die die Auseinandersetzung beobachtet hatte. Sie habe gesehen, wie die Angeklagte Margit D. an den Hals gefasst und ihr mit der Faust gedroht habe. Die andere Frau habe einfach nur dagesessen und nichts getan. Doch diese Passivität habe nicht deeskalierend auf die Situation gewirkt, sondern die Angeklagte offenbar "noch weiter hochgepusht". Sie habe das Gefühl, erzählt die Zeugin, dass die eine der Streithennen ihre strikte Weigerung, aufzustehen und den Rucksack aus ihrer Wohnung zu holen, "als eine Art Erziehungsmaßnahme eingesetzt" habe.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft stellt der Amtsrichter das Verfahren gegen Beate K. schließlich ein. Die Situation sei eskaliert, und die Angeklagte habe "etwas zu heftig reagiert", erklärt er, aber die andere Frau habe "auf stur geschaltet und damit noch weiter provoziert". Eine strafrechtliche Verurteilung sei in diesem Fall "nicht erforderlich". Nebenklägerin Margit D. wirkt ob dieser Entscheidung wie vom Donner gerührt. Regungslos sitzt sie da, sprachlos, die Lippen nur noch ein schmaler Strich.