Ulrich Waller, 54, war Dramaturg und Regisseur am Schauspielhaus, leitet heute das St.-Pauli-Theater.

Hamburger Abendblatt:

1. Wie viel Geld braucht man, um gutes Theater machen zu können?

Ulrich Waller:

Für gutes Theater braucht man ein gutes Stück, gute Schauspieler, einen Regisseur, der führen kann, einen Ausstatter, der den Schauspielern ermöglicht, ihr Können über die Rampe zu bringen. Dann muss man für die Aufführung die Aufmerksamkeit der Stadt bekommen. Wenn man genau draufschaut, ist in jedem Etat noch Luft.

2. Kann man denn auch mit wenig Geld gutes, anregendes Theater machen?

Waller:

Natürlich, durch die Konzentration auf das Wesentliche. Das geht auch ohne abendlich wechselndes Repertoire, wenn man blockweise spielt. Ohne eine aufgeblähte Dramaturgie, die unnötige buchartige Programmhefte produziert, ohne Riesenwerkstätten. Es gibt sicher da eine Grenze, wenn die Beteiligten nicht mehr anständig bezahlt werden, also Künstler, Technik und andere. Die Frage ist, wie viele Beteiligte braucht man für eine wirklich gute Aufführung.? Und wo können andere helfen, ohne dass die gleich fest angestellt sein müssen?

3. Worauf muss man verzichten, wenn man kaum Geld zur Verfügung hat?

Waller:

Auf Stücke, die nur für den Autor und zwei Kritiker geschrieben wurden und nach der Uraufführung verschwinden, weil sie kein Publikum finden. Auf Regisseure, denen das Publikum vollkommen egal und denen Unterhaltung im Theater verdächtig ist. Auf Mikroports, die jedes Arbeiten von Schauspielern an einem Text verhindern, auf Videoinstallationen, die meist nur verraten, dass der Regisseur doch lieber einen Film machen wollte.

4. Allgemein herrscht das Vorurteil, die Theater würden zu viel Geld für die Selbstverwirklichung der Regisseure ausgeben, woran liegt das?

Waller:

Wenn die Regisseure auch noch für die Übersetzung oder Bühnenfassung Tantiemen kassieren, wenn sie Klassiker nur noch als Steinbruch für eigene Textkonglomerate benutzen, aber den Namen eines bekannten Dichters etikettenschwindlerisch draufschreiben, stimmt das Vorurteil. Aber die Zeiten der totalen Selbstverwirklichung gehen langsam zu Ende.

5. Was passiert, wenn sich Hamburg keine Staatstheater mehr leisten will?

Waller:

Das kann und mag ich mir nicht vorstellen. Eine Stadt wie Hamburg braucht die drei (mit Kampnagel vier) großen Staatstheater. Nicht nur, um gegen Berlin nicht ganz unterzugehen, sondern weil bestimmte Stücke mit Themen, die Ränder unserer Gesellschaft beschreiben, und bestimmte, noch nicht ausprobierte Erzählformen, die getestet werden müssen, den Schutz einer Subvention brauchen. Ganz ohne Hilfe geht das nicht.