Eine Region, eine Stadt ohne Museen ist mir unvorstellbar - vergleichbar mit einem bedauernswerten Menschen ohne Gedächtnis und Identität. Der Verlust von Haus und Hof ist ein hartes Schicksal, aber für die betroffenen Menschen ist hierbei oft die Einbuße ihrer persönlichen Fotoalben und Briefe besonders schmerzhaft, weil ihnen Teile des eignen Lebens entrissen wurden - unwiederbringlich, wie der kulturelle Verlust des Stadtarchivs in Köln.

Seit Museen als öffentliche Einrichtungen bestehen, wird wiederholt über ihren Sinn und ihre Berechtigung diskutiert. Selbstverständlich müssen die Konzepte der Beschaffung, der Bewahrung, der Präsentation, der Vermittlung und auch Finanzierung immer wieder überdacht werden.

Museen sind keine statischen Tempel, wie Alfred Lichtwark (1852-1914), der erste Direktor der Kunsthalle, feststellte: "Solange die Museen nicht versteinern, werden sie sich wandeln müssen. Jede Generation wird ihnen neue Aufgaben bieten und neue Leistungen abverlangen." Aber die Krise der öffentlichen Haushalte darf nicht zu politischer Einflussnahme auf die inhaltliche Arbeit der Museen führen und Populismus und Kommerzialisierung befördern. "Die wichtigste Aufgabe des Museums ist es, seine Sammlung für die Zukunft zu bewahren und sie mit Hilfe von Forschung, Bildungsarbeit, Dauer- und Sonderausstellungen sowie Sonderveranstaltungen für die Entwicklung und Verbreitung von Wissen zu nutzen", so die Ethischen Richtlinien für Museen des ICOM (Internationaler Museumsrat).

Diese Säulen können nicht zur Disposition stehen; sie sind nicht austauschbar, nicht verhandelbar, sie sind Standard! Forschung und Nutzung für die Wissenschaft, Erhalt und Pflege der öffentlichen Sammlungen sind wesentliche Aufgaben der musealen Verpflichtungen, die für eine breite Öffentlichkeit nicht unbedingt erkennbar sind, aber im Senat und der Bürgerschaft zur Kenntnis genommen werden müssen!

Die öffentliche Wahrnehmung der Museen entsteht oftmals über die sogenannten großen Kulturereignisse spektakulärer Sonderausstellungen, die auch sogleich von den politischen Kreisen für ihr Taktieren "Kultur als Wirtschafts- und Imagefaktor" instrumentalisiert werden.

Ja, sie sind wichtig, die großen, herausragenden Einzel- und Themenausstellungen mit internationaler Strahlkraft - sie bewegen Besucher in der eigenen Stadt und über die Landesgrenzen hinaus, und sie generieren zusätzliche Einnahmen für das Haus und den Stadtstaat. Aber das Museum als Ort der Authentizitätserfahrung erschließt sich ganzjährig.

Über 40 Museen und Schausammlungen in unserer Stadt sind attraktive, lebendige Orte der Wissensvermittlung. Sie büßten ihre feierliche Stille zugunsten offener Begegnungsstätten ein, sie wurden zu "Volksmuseen", die jeden Besucher "mitnehmen". Heute ist positiv spürbar, welche grundlegenden Veränderungen das Museum in den 60er- und 70er-Jahren erfuhr: eine weite Öffnung für alle Alters- und Gesellschaftsgruppen.

Bereits 1956 eröffnete der damalige Kunsthallendirektor Alfred Hentzen (1903-1985) mit der Einrichtung eines Cafés und 1968 mit der Gründung einer Kindermalschule neue Möglichkeiten der Integration und Bindung an das Haus. Die mittlerweile üblichen Vermittlungswege wie Führungen, Vorträge, erläuternde Drucksachen führte der legendäre Alfred Lichtwark ein.

Heute legen die Museen beeindruckende Programmhefte vor: Vorträge, Führungen, Kurse, Ausflüge - insgesamt 54 Veranstaltungen kündigt die Hamburger Kunsthalle in ihrer Übersicht für Juli bis September an. Erarbeitet von einer vergleichsweise kleinen Anzahl von Kuratoren - ohne polemisch argumentieren zu wollen: Vergleichen Sie einfach die Vielzahl der Mitarbeiter der Kulturbehörde mit der Anzahl der Museumsmitarbeiter. Getragen von ihrem Engagement für ihr Haus und ihre Begeisterung für die Projekte beuten sie sich regelmäßig - mit Freuden - aus. Besucher und Mitglieder der Freundeskreise danken es ihnen!

Deshalb ist mein Unverständnis und mein Entsetzen groß, als ich erfuhr, dass ein Hamburger Senator sich brüstete, seit Jahrzehnten kein Museum besucht zu haben. Offenbar kein Einzelphänomen im Senat und in der Bürgerschaft, vielleicht auch kein neues Phänomen. Neu ist für mich, in welcher obszönen Weise dieses kulturelle Defizit postuliert wird.

Bestürzend auch die Erkenntnis, dass in diesem geistigen Umfeld die Beschlüsse über die "finanziell auskömmliche Situation der Museen" erarbeitet wurden. Zudem werden Entscheidungen getroffen und von Politikern ohne Weitsicht und langen Atem einzementiert, da ihre zu kurz getaktete Maßeinheit die Legislaturperiode ist. Zu vermissen ist historische und kulturelle Kompetenz. Einerseits Weltstadt-Anspruch, andererseits Provinzialität ohne Weitblick.