Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall.

Im Grunde war die Sache schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die stümperhafte Vorbereitung eines Einbruchs in eine Wohnung, die mangelhaft durchdachte Flucht. Und dazu eine Täterin, die ohnehin wegen einer Beinverletzung gehandicapt war und nicht schnell genug wegrennen konnte. Kein Wunder, dass der Traum von der fetten Beute sich für das Diebespärchen gleichsam in Luft auflöste. Doch die Festnahme an einem Sommermorgen in einem Park nur wenige Meter vom Tatort entfernt war nicht nur das trostlose Ende einer extrem kurzen Einbrecherkarriere. Sie war auch das Ende vom unbeschwerten Beziehungsglück.

Tag und Nacht zusammen sein zu können, Nähe spüren ohne Grenzen - für Sean H. und Caroline D. ist das seit ihrer Verhaftung vor zwei Monaten nur noch selbst verschuldete Illusion. Deshalb flüchtet sich das im Untersuchungsgefängnis getrennte Pärchen in die Welt der geschriebenen Worte. Und entwickelt beim Verfassen seiner Briefe einen bemerkenswerten Fleiß.

Es sind jetzt nur drei Schreiben von vielen, die der Richter zu Beginn des Amtsgerichtsprozesses gegen den 32 Jahre alten Sean H. und die zehn Jahre jüngere Caroline D. auf seinem Tisch liegen hat. Drei der zahllosen Briefe zwischen den Liebenden, die der Richter wegen der verhängten Tätertrennung kontrollieren muss, bevor er sie an den jeweils anderen Partner weiterleitet. "Das begleitet uns ja nun schon länger", stellt der Richter denn nun auch trocken fest, während er die neuesten Briefe an Sean H. übergibt. Begierig greift der Angeklagte nach den Schreiben, ein liebevoller Blick streift seine Verlobte. Ein Blick, in dem neben Zärtlichkeit auch Schuldgefühl liegt.

Um diese Emotionen drehten sich auch die meisten der Briefe, deutet der mehrfach vorbestrafte Mann in der Hauptverhandlung an. Sein Bedauern über die Tat und vor allem darüber, dass Sean H. seine Freundin Caroline "da mit reingezogen hat". Dieser Halbsatz fällt öfter in dem Prozess. Genauso wie die Worte: "Caro war dagegen." Und: "Caro wusste nichts davon."

Wie ein dicker roter Faden zieht sich durch die Aussage des 32-Jährigen sein Bemühen, seine junge Verlobte zu beschützen und die Verantwortung für die Tat auf sich zu nehmen. Für einen Wohnungseinbruchsdiebstahl, bei dem das Pärchen laut Anklage eine Geldbörse klaute und Sean H. eine scharfe Waffe bei sich führte. Seine Freundin habe von der Pistole "nichts gewusst", betont der Angeklagte.

Er sei erst wenige Monate vor der Tat aus dem Gefängnis entlassen worden, erzählt der Mann mit dem kurz geschorenen Haar. Nach vier Jahren in Haft, wo er unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung einsaß, sei er mit vielen Dingen "einfach überfordert" gewesen. Zudem habe ein Südländer ihn mit einem Messer angegriffen und von ihm Geld gefordert, das er ihm angeblich schulde. "Deshalb habe ich mir eine Waffe besorgt, um mich verteidigen zu können." Irgendwann habe er dann geglaubt, dass Geld helfen könnte, "meine Probleme zu lösen".

Also habe er in einem Baumarkt einen Kuhfuß gekauft und sich nach einem lohnenden Objekt für einen Einbruch umgeschaut. Als er sah, dass eine Frau ihre Wohnung verließ, um zu joggen, sei das für ihn wie ein Startsignal für die Tat gewesen. Dass die Kondition der Joggerin offenbar nicht zum Besten stand, wurde den Einbrechern zum Verhängnis: Schon nach zehn Minuten kehrte die Läuferin in ihr Zuhause zurück, die Einbrecher flohen überhastet. "Er lief irgendwann in meine Richtung", erinnert sich die Angeklagte Caroline D., "und hat mir etwas in die Hand gedrückt." Die Beute habe sie "unter Schock auch genommen. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe", hat die kräftige 22-Jährige inzwischen erkannt. Sie meint damit nicht nur den Einbruch, sondern auch ihren Drogenkonsum, mit dem sie sich schon früher eine Verurteilung eingehandelt hat. "Ich will auch eine Therapie machen."

Sie will - und sie muss. Denn das macht der Amtsrichter für Caroline D. zur Auflage für ihre Haftstrafe von sechs Monaten, die er noch zur Bewährung aussetzt. Der erheblich vorbestrafte Sean H. wird zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, ohne Bewährung. Und doch wirkt der Angeklagte erleichtert, ein bisschen fröhlich sogar: Seine Freundin muss nicht zurück in Haft, die Tätertrennung wird aufgehoben, und seine Verlobte darf ihn künftig im Gefängnis besuchen. Caroline D. strahlt und schmiegt sich an ihren Freund.