Polizist Kay Strasberg über den Tag des Einsatzes und die Nacht in der Schanze. Seiner Einheit gelang eine fast schon historisch zu nennende Festnahme

Alsterdorf. Der Tag beginnt gemütlich für Kay Strasberg, 38. Er ist Zugführer einer "Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit" (BFE) der Hamburger Polizei, somit einer Elitetruppe, die als besonders resolut und durchsetzungsstark gilt. Die darauf spezialisiert ist, Delinquenten notfalls auch gegen gröbere Widerstände abzuführen. Strasberg tut, was er an dienstfreien Sonnabendvormittagen am liebsten tut: ausschlafen und frühstücken in Winterhude. Er hat sich mit einem guten Freund in einem Café verabredet. Die Gedanken, sagt Kay Strasberg, sind aber schon am Morgen im Schanzenviertel. Im Einsatz, bei Steinewerfern und Polizistenhassern.

Hätte nicht seine Waschmaschine vor Kurzem ihren Geist aufgegeben, Strasberg würde noch ein wenig länger in der Sonne an der Gertigstraße sitzen wollen. So aber muss der kräftige Polizist, Mitglied in der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), zum Media- Markt, um sich nach einem Ersatz umzusehen. "Um 15 Uhr bin ich dann in der Dienststelle", erzählt Strasberg. "Rechtzeitig genug, um noch ein wenig Sport treiben zu können." Eine knappe Stunde läuft der 38-Jährige durch den Stadtpark. Während er um die Liegewiese kreist, drehen sich die Gedanken immer intensiver um den Abend.

Die Kollegen trifft der Mann mit dem modischen Kinnbart um 16.30 Uhr. Dienstbeginn, erste Besprechungen, Verpflegung und die Fahrt in den "Einsatzraum", nach St. Pauli, auf das Heiligengeistfeld. Dort gibt der Chef der Bereitschaftspolizei, Hartmut Dudde, letzte Infos an die inzwischen in schwere Schutzkleidung gewandeten Beamten. Man trifft alte Bekannte: die Beamten aus Uelzen, mit denen die Hamburger BFE eine fast freundschaftliche Beziehung pflegt, die Kollegen aus Bayern, die feierfreudigen Beamten aus Berlin, die Nachbarn aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Man klönt, man kennt sich nicht nur von den Hamburger Schanzenfesten, sondern auch von Einsätzen in Heiligendamm, beim Castor-Transport oder dem 1. Mai in Berlin.

Gegen 20 Uhr geben der Leiter des Gesamteinsatzes, Polizeidirektor Peter Born, und Hartmut Dudde den Befehl zum Ausrücken. Strasberg und die 30 Beamten seiner Einheit postieren sich - tatsächlich - auf dem Hinterhof der "Bullerei", dem Tim-Mälzer-Restaurant am Rande des Viertels. Strasberg: "Dort ist man dicht dran, aber erst mal nicht sichtbar." Man muss ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Zivilbeamte, die sich unter die Feiernden und auf ein Losbrechen der Randale wartenden Menge gemischt haben, geben per Funk Lagemeldungen durch. Aber: Drei Stunden passiert erst mal gar nichts. Bis 22.50 Uhr. Vermummte Randalierer nähern sich den Polizeiketten am Neuen Pferdemarkt. Sie errichten Barrikaden, werfen Vogelschreck-Böller, Flaschen, Steine. Nicht ohne Resonanz: Zeitgleich stürmen weit über 1000 Polizeibeamte, begleitet von sechs Wasserwerfern und zwei Räumfahrzeugen, in das Schanzenviertel. Strasberg und seine BFE-Einheit rennen über die Schanzen- und die Susannenstraße auf das Schulterblatt. Knapp vor den Kollegen kommen sie an. Der 38-Jährige: "Von einem auf den anderen Moment waren wir mittendrin. Wir haben die Leute dann in Richtung Altonaer Straße gedrängt. Unser Ziel war es, die Piazza so schnell wie möglich leer zu bekommen." Ein Plan, der aufgeht: Wasserwerfer halten die Randalierer in den Seitenstraßen. Polizeiketten versperren den Weg zurück.

Strasberg: "Als sich an unserem Standort nichts mehr tat, bekamen wir Order, in die Eifflerstraße zu kommen." Flaschenwerfer abgreifen. Das Gleiche später noch mal am Schulterblatt, an der Max-Brauer-Allee und in der Lippmannstraße. "Die Jungs, die wir festgenommen haben", berichtet Strasberg, "waren alle betrunken." Und alle behaupten: "Ich hab doch nichts gemacht!" Danach, so Strasberg, werden sie jedoch alle recht schweigsam.

Er weiß um den Eindruck, den seine schwer gepanzerte Truppe schon bei Unbeteiligten hinterlässt. Betrunkene Jugendliche, die sich plötzlich bäuchlings unter zwei, drei Beamten in Vollschutz wiederfinden, werden einen solchen Moment gewiss ein Leben lang nicht vergessen. Doch nicht jeder zieht denselben Schluss: Für manche ist es ein heilsamer Schock, für andere ein weiterer Beleg dafür, dass die Polizei als sichtbarster Vertreter der Staatsmacht per se böse sei. Darum weiß natürlich auch Truppführer Strasberg. Manchmal bedauert er, dass er sich mit den jungen Delinquenten, die er festnimmt, nicht ein wenig näher beschäftigen kann. Er weiß, dass er sie spielend vom Gegenteil der von ihnen so gern gebrüllten Parole "All cops are bastards" überzeugen würde. Weil er ihre Sprache zu sprechen imstande ist.

Strasbergs Nacht auf der Schanze führt - quasi nebenbei - zu einem fast historisch zu nennenden Erfolg. Zivilfahnder beobachten am Moorkamp drei junge Männer, die einen Mercedes angezündet haben. Der Wagen brennt aus. Die Zivilbeamten verfolgen die Täter, rufen die BFE. Die nimmt die Täter fest: Es sind dies die ersten Auto-Anzünder, die seit Beginn der umfangreichen Serie im Sommer 2009 gefasst werden.

Bis um 6 Uhr in der Frühe bleibt Strasberg noch im Präsidium, erledigt den Papierkram. Seine Mannschaft kommt noch zur Nachbearbeitung zusammen. Ein wichtiger Moment für den 38 Jahre alten Beamten. "Da", so Strasberg, "kannst du alles erzählen, was dich beschäftigt. Weil du weißt, dass die anderen genau verstehen, was du meinst."