Ein leidenschaftlicher Kuss, voller Sehnsucht, eine innige Umarmung. Lange haben die Angeklagten darauf warten müssen, sich wieder so nahe zu sein. Auch wenn es nur für diesen einen kurzen Moment ist, die Begrüßung kurz vor Beginn des Prozesses. Ein Liebespaar, seit seiner Festnahme vor sechs Monaten getrennt durch Zellentüren. Er, der finster dreinblickende 28-Jährige. Und der andere, sein Lebensgefährte, acht Jahre älter und mit langem lockigen Haar. Der Mann, der sich als "die Frau" in der Beziehung sieht. Eine Beziehung, in der sie ähnlich wie "Bonnie und Clyde" Raubüberfälle begingen, unterstützt von einem jungen Verwandten. 20 Taten im vergangenen Winter werden dem Trio zur Last gelegt.

Jetzt sitzen die drei Männer auf der Anklagebank vor dem Landgericht in einer Reihe - und doch gefühlte Meilen voneinander entfernt. Rechts das Pärchen, einig auch in seiner Entscheidung, zunächst vor Gericht zu schweigen; ein paar Plätze weiter der Dritte im Bunde. Der Mann, der nicht schweigen will, sondern reden. Es sprudelt geradezu aus dem 22-jährigen Milos O. heraus, wie sie die Überfälle geplant haben. Parfümerien, Banken, Drogerie-Märkte raubten sie aus. Dabei war es laut Anklage der 28-jährige Jozef T., der die Läden betrat, das Personal mit einer Schusswaffe bedrohte und die Beute mit Worten wie "Geld haben", "Schnell Geld" oder "Du mir jetzt Geld geben" einforderte. Mehreren Opfern soll er auch gedroht haben, sie zu töten, wenn sie seinen Aufforderungen nicht folgen. Die anderen beiden Männer sollen die Tatorte gesichert und Jozef T. nach den Überfällen geholfen haben zu entkommen. Zwischen 200 und 4200 Euro erbeuteten die Männer laut Staatsanwaltschaft bei den jeweiligen Taten.

Milos O. wohnt seit vielen Jahren in der Hansestadt; der 22-Jährige kennt sich aus. Ihn hatten sein Onkel Donat B. sowie dessen Lebensgefährte Jozef T. gebeten, ihnen die interessantesten Stätten Hamburgs zeigen. Doch was die beiden als Sehenswürdigkeiten empfanden, war durchaus speziell: Nicht Michel oder Hafen wollten sie sich anschauen, sondern lohnende Objekte zum Ausrauben, vorzugsweise ohne Polizeiwache in der Nähe, dafür aber in der Nähe einer U-Bahn-Station für eine möglichst leichte Flucht.

An acht der Überfälle war Milos O. beteiligt. Jozef T. sei dann, mit Gaspistole bewaffnet, in die Läden gegangen, erzählt der 22-Jährige. Jozef T. habe seine Komplizen angewiesen, an der U-Bahn zu warten "und ihn anzurufen, wenn wir Polizei sehen". Sie hatten die Wechselkleidung dabei, auf der Flucht tauschte der 28-Jährige Mütze gegen Käppi, Pullover gegen Jacke. Manche Läden hätten sie vor dem Raub ausbaldowert, manches habe sich "spontan ergeben wegen der günstigen Lage".

So wie damals, als sein Onkel Donat B. eigentlich zum Friseur hatte gehen und "sich dort Dreadlocks machen lassen" wollen. Doch auf dem Weg entdeckte Jozef T. einen Drogerie-Markt, der ihm als geeignetes Objekt erschien. "Er sagte, er wolle ihn ausrauben." "War das so, dass er immer eine Waffe dabeihatte?", wundert sich der Vorsitzende Richter. "Normalerweise hat man doch keine Waffe oder Wechselkleidung dabei, wenn man zum Friseur will." Jozef T. habe seine Pistole stets mit sich getragen, erzählt Milos O. Zudem hätten sie Kleidung in einer Laptoptasche mit sich geführt. "Also allzeit bereit", bringt es der Richter auf den Punkt.

Bereit - und dazu offenbar auch noch vollkommen abgebrüht. Bei einem Überfall auf eine Parfümerie erbeutete der 28-Jährige nicht nur mehrere Tausend Euro, sondern nahm sich auch noch die Zeit, zwei Parfüms auszusuchen. "Ich bekam 'Hugo Boss', das mochte ich", verrät Milos O. "Ich hatte einen Tag zuvor Geburtstag." Sein Onkel habe "Angel" geschenkt bekommen. Jozef T. habe gewusst, dass sein Lebensgefährte diesen Duft besonders mag.

Offenbar hat es nicht nur dem 36-Jährigen, sondern auch seinem Partner gefallen. Denn wenige Tage später überfiel Jozef T. erneut eine Parfümerie. Wieder machte er reichlich Beute. Und wieder fiel seine Wahl auf "Angel". Ein Parfüm für Frauen, das dessen Schöpfer mit den Worten bewirbt, es verkörpere "Unschuldsengel und verführerische Diva in einem". Dass er jedenfalls in strafrechtlichem Sinne kein Unschuldsengel ist, räumt Donat B. am Ende selber ein. Auch er sei an den Verbrechen beteiligt gewesen, gibt er zu und verweist auf frühere Vernehmungen. Dort hatte er unter anderem gesagt, die Raubüberfälle seines Lebenspartners seien ihm "peinlich" gewesen. Aber er könne doch nicht die Polizei alarmieren, "um den Mann festzunehmen, der mir am liebsten ist".