Wir müssen die Risiken der Medizin auch als Chance begreifen.

Wer ist schuld am Tod der drei Frühchen in der Mainzer Uni-Klinik? Am Freitag sind die Ermittler in dieser Frage einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Die todbringenden Keime gelangten vermutlich in eine gläserne Infusionsflasche über einen Haarriss. Ein Riss, der so winzig war, dass er bei keiner Kontrolle zuvor aufgefallen war. Oder hätte er doch auffallen können? Hat irgendwo in der Sicherheitskette ein Glied der Technik versagt? Hat vielleicht ein Kontrolleur nur einen Augenlidschlag nicht aufgepasst? Wurde vielleicht sogar schludrig gearbeitet? All dem muss nachgegangen werden, auch wenn das den toten Säuglingen nicht mehr hilft. Gerade deshalb gilt: Für die Zukunft muss ein solcher Fall ausgeschlossen werden. Dann bekäme die Tragik sogar einen tieferen Sinn - so trösten sich manche Menschen in ähnlichen Situationen.

Aus dem Vorfall Lehren ziehen, um die Medizintechnik zu verbessern: Wer wollte diesem hehren Ziel widersprechen?

Eine andere Lehre ist: Wir können aus unserem Leben nicht jedes Risiko vertreiben. Das ist die bittere Botschaft des tragischen Todes der drei Frühgeborenen, die eigentlich das enorme Glück gehabt hatten, in eine Welt geraten zu sein, die erstmals in der Menschheitsgeschichte überhaupt nur wenige Hundert Gramm schweren Embryos eine reelle Chance bietet weiterzuleben. Nun hatten die Frühchen diese größte aller Hürden in die Hightech-Medizin schon geschafft - und wurden dann doch ein Opfer ebendieser modernen Technik, die zwar höchst ausgeklügelt, aber doch nie zu 100 Prozent perfekt sein kann.

Ein Restrisiko bleibt. Immer. Für alle. Dieses Restrisiko schalten wir gedanklich gerne aus, und das müssen wir, wenn wir uns nicht vom ewigen Zweifel zum Verzweifeln treiben lassen wollen. Wir tun das bei der Nutzung der Kernkraft, aber auch wenn wir uns in den Straßenverkehr begeben, in ein Flugzeug steigen, Alkohol trinken, zu viel essen, uns zu wenig bewegen oder zu den inzwischen geächteten Rauchern gehören.

Doch bietet das Risiko uns auch eine Chance. Wir können es bewusst eingehen, um ein anderes Risiko erträglicher zu machen. Der mutige Entschluss des SPD-Fraktionschefs Frank-Walter Steinmeier, seiner Frau eine Niere zu spenden, ist dafür typisch. Am Freitag hat sie mit dem Organ ihres Mannes die Intensivstation schon wieder verlassen. Auch das gehört zum Menschsein dazu: Es gibt Momente, da sollten wir ein Risiko freudig eingehen.