Die Regelung zur Sicherungsverwahrung könnte scheitern, sagt Justizsenator Till Steffen (GAL)

Hamburg. Der Einigung der Bundesregierung, aus der Sicherungsverwahrung entlassene Straftäter in Einrichtungen mit therapeutischer Betreuung unterzubringen, ist bei Hamburgs Justizsenator Till Steffen (GAL) auf große Skepsis gestoßen. "Das Risiko des Scheiterns ist enorm, weil dieser Kompromiss rechtlich fragwürdig begründet ist", sagte Steffen dem Abendblatt. Die Regelung, die zwischen den Bundesministerien für Inneres und Justiz vereinbart wurde, basiere nicht auf strafrechtlichen Kriterien. "Es kann sehr gut passieren, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Regelung wieder kassieren wird".

Nach wochenlangem Streit um die Sicherungsverwahrung hatten sich Union und FDP in Berlin auf neue Regelungen geeinigt. Schwerverbrecher, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, sollen in neuen Einrichtungen mit therapeutischer Betreuung untergebracht werden, die vom regulären Strafvollzug losgelöst sind, erklärten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Der Gesetzentwurf soll Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR): Er hatte entschieden, dass eine nachträglich verlängerte Sicherungsverwahrung einer zweiten Bestrafung gleichkomme und damit gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoße.

Nach Ansicht des Justizsenators sei es wenig wahrscheinlich, dass für die 80 sogenannten "Altfälle", die bundesweit entlassen wurden oder noch werden, eine rechtlich wasserdichte Lösung gefunden werde. Hier müsse man vor allem auf die Maßnahmen setzen, die den Bundesländern zur Verfügung stünden: Engmaschige Bewachung und Betreuung der Entlassenen. Steffen wiederholte seine Kritik, dass man "mit den Ängsten und Hoffnungen der Menschen spielt", wenn man vorgebe, dass eine verlässliche Lösung möglich sei.

Rückendeckung erhält Steffen von Thomas Ullenbruch. Der Strafrichter gilt als einer der renommiertesten Experten zu diesem Thema. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die neue Regelung Bestand in Straßburg hat", sagt er. "Da soll eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden für Personen, die nach der Logik des EGMR-Urteils zu entlassen wären. Und jetzt wird das Ganze einfach umetikettiert." Es ginge nicht an, dass als Reaktion auf das "eindeutige" EGMR-Urteil ein Gesetz geschaffen werde, durch vor 1998 als psychisch gesund und strafverantwortlich verurteilte Täter zu "psychisch gestörten Gewalttätern" umgewidmet werden - nur, um sie auf diese Weise nachträglich doch noch wegzusperren. Ullenbruch erwartet, dass der EGMR dem Gesetzgeber schon im Herbst die nächste "Ohrfeige" verpassen und dann auch das Gesetz über die nachträgliche - während der Haft angeordnete - Sicherungsverwahrung beanstanden werde. Grund: Auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung sei rückwirkend auf Straftäter angewendet worden, die für Taten vor der Gesetzesnovelle im Jahr 2004 verurteilt worden waren.

Zur elektronischen Fußfessel hat Hamburgs Justizsenator seine Meinung offensichtlich geändert. Nach kritischen Tönen sagte Steffen nun: "Sie kann als Instrument sinnvoll sein - etwa wenn in einigen Fällen weniger Bewacher gebraucht werden." Fliehe ein Entlassener, wäre sein Aufenthaltsort sofort bestimmbar.

Wie verdreht die politischen Lager beim Thema Sicherungsverwahrung aufgestellt sind, zeigte die Debatte in der Bürgerschaft diese Woche. SPD-Innenexperte Andreas Dressel wollte prüfen, ob als gefährlich geltende Entlassene auf Länderebene laut dem Gesetz für psychisch Kranke untergebracht werden könnten. CDU-Justizexperten warfen dem SPD-Politiker vor, er sei "geistiger Brandstifter". Diese Methode erinnere an das Dritte Reich.