Neun Angestellte des Krematoriums Öjendorf beurlaubt. Sie verkauften das Edelmetall

Billstedt. Es ist erschütternd, pietätlos und wohl einmalig in Hamburg: Friedhofsmitarbeiter werden verdächtigt, Zahngold und Schmuckstücke aus der Asche von Toten gestohlen zu haben. Neun Heizer des Krematoriums Öjendorf erhielten am Freitag vergangener Woche Besuch von der Polizei: sechs an ihrem Arbeitsplatz, drei weitere teilweise im Ausland und im Krankenhaus. Sie wurden vernommen, ihre Spinde und Wohnungen durchsucht; zeitgleich klopften die Beamten an der Wohnung eines mutmaßlichen Hehlers an. Insgesamt wurden bei der Razzia 146 000 Euro in bar beschlagnahmt, die aus den Verkäufen stammen sollen. Die Krematoriumsangestellten wurden von ihrem Arbeitgeber, der Hamburger Friedhöfe AöR, sofort beurlaubt.

Ermittelt wird gegen insgesamt zehn Männer. Gegen die neun Ofenarbeiter im Alter von 41 bis 63 Jahren wegen schweren Bandendiebstahls; zudem gegen einen 59-jährigen Hamburger wegen gewerbsmäßiger Hehlerei. "Wir gehen davon aus, dass die Friedhofsmitarbeiter seit mehreren Jahren Goldzähne von Verstorbenen weiterverkauft haben", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft. Nach dem Verbrennungsprozess sollen die Mitarbeiter der Ofenbesatzung die Asche gezielt nach Metallrückständen durchsucht, das Edelmetall eingesteckt und an Dritte weiterverkauft haben.

Der 59-Jährige, der nach Abendblatt-Informationen einen Münzhandel auf der Uhlenhorst betreibt, soll dabei eine tragende Rolle gespielt haben. Er hat bereits eingeräumt, "kleinere Mengen" angekauft zu haben. Ebenso haben drei Heizer bereits zugegeben, "Kremationsrückstände" entwendet zu haben, obwohl sie eine Ehrenerklärung abgegeben hätten, niemals wertvolle Materialien aus dem Krematorium zu entnehmen. Alle Beschuldigten sind Deutsche und haben ersten Angaben zufolge keine Vorstrafen. Weil sie einen festen Wohnsitz haben und keine Verdunklungsgefahr besteht, kamen sie nicht in Haft.

Nach Abendblatt-Informationen blüht der pietätlose Handel mit den Edelmetallrückständen seit 2004. Aufgefallen war der dreiste Diebstahl der Friedhofs-Geschäftsführung aber erst im vergangenen November. "Die übliche Menge an Rückständen von Zahngold und Edelmetallen war erheblich gesunken", sagt Friedhofssprecher Lutz Rehkopf. "Wir haben sofort die Polizei informiert." Es folgten mehrmonatige verdeckte Ermittlungen, bis die Beweislage für die Durchsuchungsbeschlüsse reichte.

"Wir sind erschüttert und traurig", sagt Rainer Wirz, Leiter der Hamburger Friedhöfe. "Unsere Mitarbeiter sind verpflichtet, würde- und respektvoll mit den Verstorbenen umzugehen. Das gilt auch für die Asche." Erheben die Angehörigen keinen Anspruch auf etwa das Zahngold, geht es mit der Übernahme des Toten automatisch in den Besitz der Friedhofsgesellschaft über - das gilt auch für die Edelmetalle in der Asche.

Nach der Kremation werden die sichtbaren metallischen Rückstände - Zahngold und vereinzelt Schmuckstücke, aber auch die Bestandteile von Herzschrittmachern, Prothesen und Sargbeschläge - von den Mitarbeitern eingesammelt und verwahrt. "Der Umgang damit wird penibel über Arbeitsanweisungen geregelt und streng kontrolliert", sagt Rainer Wirz. Einmal im Monat würden die Edelmetall-Rückstände gewogen und quartalsweise an ein metallverarbeitendes Unternehmen verkauft. "Der Erlös wird seit 2006 an die Deutsche Kinderkrebshilfe gespendet", erklärt Friedhofssprecher Rehkopf. Vorher sei das Geld für interne Zwecke genutzt worden und den Mitarbeitern zugute gekommen.

Über die Menge des entwendeten Edelmetalls und die Höhe des Schadens wollen Polizei und die Friedhofsverwaltung keine Angaben machen - ebenso wenig darüber, wie groß generell die Rückstandsmengen an Edelmetallen sind und wie hoch die Spenden an die Kinderkrebshilfe. Die gab jedoch auf Abendblatt-Anfrage die Höhe der Spenden der Hamburger Friedhöfe mit insgesamt 64 000 Euro an. Noch im Juli sei eine Überweisung von 8000 Euro eingegangen, die Zahlungen seien stets vierteljährlich erfolgt.

Dass der Zahngold-Diebstahl erst jetzt öffentlich bekannt gemacht wurde, liegt laut Friedhofs-Sprecher Rehkopf daran, dass erst am Donnerstagabend die Absprachen zwischen Friedhofsgesellschaft, der vorgesetzten Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Polizei und Staatsanwaltschaft abgeschlossen worden seien. Nachdem mit den neun Heizern die gesamte Ofenbesatzung beurlaubt wurde, wird der Krematoriumsbetrieb jetzt durch den Einsatz einer Notbesetzung gewährleistet.