Richter verurteilt Dieb zu 23 Monaten. Aber der muss erst nach dem Entzug in Haft. Die tragische Geschichte des Alexander K.

Neustadt. Seine Stimme klingt fest, geradezu abgeklärt. Gerichtssäle machen den muskulösen Angeklagten nicht nervös, dafür hat er in den vergangenen Jahren zu viele Prozesse erlebt. Gerade hat Alexander K. dem Richter in gesetzten Worten erzählt, wie er in ein Einrichtungshaus und in ein Bürogebäude eingestiegen ist. Wie er jahrelang aus Kaufhäusern Klamotten und Geräte gestohlen hatte, um an Geld für den "nächsten Schuss" zu kommen. Doch als der Richter über die "persönlichen Angaben" des Angeklagten sprechen will, stockt seine Stimme.

"Darüber rede ich nicht gern", sagt der 40-Jährige. Über den Grund für seinen Absturz in die Drogensucht, über den Tod seines drei Jahre alten Sohnes, der 1995 an Leukämie starb. Und den Selbstmord seiner Frau nur wenige Tage nach dem Schicksalsschlag. Alexander K. flüchtete darauf in Heroin und Kokain. "Davor habe ich nicht mal Zigaretten geraucht", sagt er.

Überhaupt hat es das Leben nicht gut mit ihm gemeint: Seine Eltern - ein Zuhälter und eine Prostituierte - geben ihn 1969 zu Pflegeeltern, "wo es mehr Schläge als Essen gab". Dann landet er im Heim, beendet aber trotz aller Widrigkeiten seine Lehre als Zimmermann, packt auch noch das Fachabitur. Doch der Tod seiner Familie wirft ihn 1995 komplett aus der Bahn. Als er im Jahr 2000 endlich seinen leiblichen Vater findet, stirbt der drei Monate später an einem Herzinfarkt, Wochen darauf die alkoholabhängige leibliche Mutter, dann seine zwei Brüder.

Immer tiefer rutscht Alexander K. ab. Geld für Drogen beschafft er, indem er gestohlene Hosen und Jacken versetzt, sein Vorstrafenregister wächst und wächst. Zwar will der 40-Jährige im Januar 2010 die Notbremse ziehen, indem er sich um einen Therapieplatz bewirbt. Doch begeht er nur einen Monat später die Tat, für die er sich gestern vor dem Amtsgericht verantworten muss.

Es ist der vorläufige Höhepunkt seiner kriminellen Karriere. Die Liste der Anklagepunkte ist ein bunter Streifzug durch das Strafgesetzbuch. Die Staatsanwältin legt ihm schweren Diebstahl, Besitz und Verkauf von Rauschmitteln, Urkundenfälschung und illegalen Waffenbesitz zur Last. Am schwersten wiegt der Vorwurf, er sei Anfang Februar in die Büroräume einer Firma an der Poststraße eingebrochen. Den Plan ausbaldowert habe ein Bekannter aus der Szene, drogensüchtig wie er selbst, sagt Alexander K. "Ich hatte kein Geld, da traf ich Mehmet, und der sagte: Da ist ein Laden offen, da gibt's Computer." Der "Laden" befand sich im fünften Stock eines Geschäftsgebäudes an der Poststraße. Über ein Baugerüst stiegen sie in das Büro ein. "Da herrschte das komplette Chaos", sagt Alexander K. "Mehmet war schon vorher alleine dort und hat alles verwüstet, weil er nichts gefunden hat." Sein Komplize habe außerdem einen Tresor aus der Verankerung gerissen und in den Lichthof geschmissen, allerdings brach der Safe bei der brachialen Aktion nicht entzwei. Dafür habe er den Tresorschlüssel in einer Schublade entdeckt, die er im Büro aufgehebelt hatte. "Ziemlich dumm" findet Alexander K. die Aktion seines Komplizen im Nachhinein.

Wirklich clever stellte aber auch er sich nicht an. Etwas Bargeld hatte er aus dem Safe gestohlen, dazu zwei Barschecks der Firma. Insgesamt 10 000 Euro trug er auf den Schecks ein, schlenderte Stunden nach der Tat in zwei Bankfilialen, wo er seelenruhig seinen Ausweis vorzeigte und um die Auszahlung der Summe auf sein Konto bat - der Schwindel flog prompt auf.

Sie gehe davon aus, dass Alexander K. die Taten allein begangen hat, sagt die Staatsanwältin und fordert zwei Jahre und drei Monate Haft. Von dem Komplizen höre sie zum ersten Mal. Und die Therapie? Die würde sein Mandant gerne im Süden oder in Berlin machen, sagt sein Verteidiger. "Hauptsache raus aus Hamburg."

Eine Verurteilung bleibt Alexander K. nicht erspart, zumal noch ein Einbruch hinzukommt, der gestern mitverhandelt wird: Anfang März, gesteht Alexander K., sei er mit einem Komplizen in ein Einrichtungshaus am Neuen Wall eingestiegen. "Die Tür war aufgebrochen, ich musste sie nur noch eindrücken." Die Staatsanwältin macht eine wegwerfende Handbewegung - auch diese Geschichte kauft sie ihm nicht ab. Zu allem Überfluss hatte Alexander K. eine nicht zugelassene Gaspistole dabei.

Der Richter schickt ihn für 23 Monate hinter Gitter. Zuvor hat Alexander K. die Chance, von den Drogen loszukommen. Die Strafe wird erst im Anschluss an einen Entzug vollstreckt. Der Richter: "Das Strafrecht kann Sie nicht therapieren."