Eine vernünftige Mehrwertsteuer-Regel wird es so schnell nicht geben. Denn die absurdeste Wohltat erscheint den Beschenkten schnell als selbstverständlicher Besitzstand

Die ersten Tage nach der Sommerpause brachten endlich mal gute Nachrichten für Angela Merkels schwarz-gelbe Regierung. Sensationelle Wirtschaftsdaten wiesen einen "Aufschwung XL" aus. Die größte Oppositionspartei SPD offenbarte bei ihrem Eiertanz um die Rente mit 67, wie weit sie noch von Geschlossenheit und Regierungsfähigkeit entfernt ist.

Hoffungsvoller Saisonstart also für die Regierung, Aussicht auf eine zweite Chance nach dem vermurksten ersten Jahr. Doch da fiel es wieder, das Unwort: Hotelsteuer. Diesmal warf es der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs in die Debatte. Er will das am 1. Januar in Kraft getretene Steuergeschenk an Hoteliers in Höhe von etwa einer Milliarde im Jahr wieder zurücknehmen und mit dem Geld Unternehmen bei der Ökosteuer entlasten.

Fuchs äußerte sich am vergangenen Wochenende fast zeitgleich mit einem TV-Interview der Kanzlerin, in dem sie bedauerte, ihre Regierung habe im ersten Jahr mit vielen positiven Leistungen "die Menschen nicht erreicht". Dies lag laut Merkel an "Stimmenwirrwarr" und schlechten Umgangsformen. Vor allem lag es vermutlich daran, dass die Koalition ganz am Anfang mit einem verblüffenden Beschluss die Menschen sehr wohl erreichte: mit der Hotelsteuer, die überall im Land als Skandal empfunden und zum Symbol für Klientel- und Gefälligkeitspolitik wurde. Schließlich war kurz nach dem Beschluss die Millionenspende aus dem Umfeld des Hotelbetreibers Mövenpick an die FDP bekannt geworden.

Um der Kritik, auch in den eigenen Reihen, den Wind aus den Segeln zu nehmen, will die Koalition im September eine Kommission einsetzen, die generell alle Mehrwertsteuersätze überprüft. Da gibt es ja viele unsinnige Regelungen. So wird für Hundefutter, Rennpferde und eben auch für Hotelübernachtungen der ermäßigte Satz von sieben Prozent fällig, während für Babywindeln oder Trinkwasser der volle Satz von 19 Prozent erhoben wird. Die Kommission wird, schätzt Finanzminister Schäuble, drei Jahre lang beschäftigt sein. Also bis zur nächsten Wahl, vor der nichts mehr entschieden werden dürfte. Damit ist klar: Eine vernünftige Mehrwertsteuertabelle wird es in Deutschland so schnell nicht geben, und eine gesonderte Rücknahme der anrüchigen Hotelsteuer schon gar nicht. Denn es ist in der Politik wie im normalen Leben: Selbst die absurdeste Wohltat gilt beim Beschenkten vom ersten Moment an als selbstverständlicher Besitzstand. Will man sie ihm wieder wegnehmen, wird er schreien und um sich schlagen.

Außerdem halten ja nicht alle Koalitionspolitiker das Steuergeschenk im Nachhinein für eine Fehlentscheidung. Wirtschaftsstaatsekretär Ernst Burgbacher (FDP), der es mit durchgesetzt hat, erklärte erst im Juli: "Ich stehe absolut dazu." Und CSU-Chef Horst Seehofer betont: "Das war eine sehr überlegte Entscheidung." Viele Hoteliers hätten dank des Geldsegens investiert und würden bei einer Rücknahme "die Welt nicht mehr verstehen".

Dass es bei der Hotelsteuer bleibt, ist für Seehofer ein Zeichen von "Verlässlichkeit in der Politik". Das klingt wie Hohn, aber Seehofer wäre in der Tat politisch lebensmüde, wenn er den einflussreichen bayerischen Hoteliers bei den nächsten Wahlen mit einer Mehrwertsteuer-Erhöhung kommen würde. Das gilt im Übrigen auch für (nicht nur schwarz-gelbe) Politiker anderer Bundesländer mit Tourismusgeschäft.

In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel hatte es vor der Bundestagswahl eine ganz Große Koalition zugunsten der Steuersenkung gegeben. "Erfreulicherweise unterstützen uns alle Parteien hier", freute sich der Hotelier-Verband und lobte besonders FDP und Linkspartei. Da waren sie wohl alle nach der alten Politiker-Maxime in Wahlkampfzeiten verfahren: Wenn Ablehnung gesichert ist, sind wir dafür. Dass eine solche Sonntagsreden-Forderung nach der Wahl ungebremst ins Gesetzblatt wandern würde - wer konnte das schon ahnen?

Und so muss Angela Merkel den Kakao, durch den sie von FDP und CSU bei den Koalitionsverhandlungen gezogen wurde, immer von Neuem austrinken, wenn ein schlauer Kollege wie Fuchs die Hotelsteuer wieder zum Thema macht. Solange die Mehrwertsteuer-Kommission tagt, wird es noch viele Gelegenheiten dazu geben. Die Hotelsteuer wird das Unwort dieser Regierung bleiben.

"Dumm ist nicht, wer eine Dummheit begeht, sondern wer sie nachher nicht zu bedecken versteht", schrieb vor 400 Jahren Balthasar Gracian. Hört sich zynisch an, könnte aber ein praktischer Tipp für Merkels Anhang sein.