Der für das Budget der Europäischen Union zuständige polnische EU-Kommissar Lewandowski hat vor Kurzem vorgeschlagen, eine EU-Steuer einzuführen und damit der Gemeinschaft direkte Einnahmen zu verschaffen. Bisher wird die EU überwiegend durch Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert, die sich am Bruttoinlandsprodukt als Maß für die Wirtschaftskraft der einzelnen Länder orientieren, sowie durch Zölle und Mehrwertsteuer-Anteile. Mit seinem Vorschlag löste der Kommissar eine Welle der Ablehnung und Empörung aus, die sowohl quer durch die politischen Parteien als auch durch die Staaten der EU lief.

Die Kritik richtete sich vor allem gegen den Wunsch der EU, "eigene" Einnahmen zu bekommen. Der Verdacht wurde laut, Brüssel wolle sich mit einer zusätzlichen Steuer seine ausufernden Ausgaben ohne Kontrolle durch die Mitgliedsländer finanzieren. Dazu muss man feststellen, dass der Kommissar bei seinem Vorschlag den entscheidenden Fehler gemacht hat, nicht deutlich genug zu sagen, dass er nicht eine zusätzliche Steuer vorschlage, sondern die Mitgliedsbeiträge der EU-Staaten in gleicher Höhe senken wolle.

Darüber hinaus ist der Zeitpunkt des Vorschlags unglücklich, da die EU-Länder gerade dabei sind, ihre Haushaltsdefizite mit großen Anstrengungen abzubauen, während die Ausgaben der Europäischen Union in diesem Jahr um sechs Prozent wachsen. Das sind natürlich Steilvorlagen für die Kritiker, die ohnehin meinen, dass die Brüsseler Bürokratie ineffizient ist und sich auf unsere Kosten immer weiter ausdehnt.

Sieht man von diesen taktischen Fehlern einmal ab und denkt mittelfristig, so kann man die Frage stellen, ob eine eigene Einnahmequelle der Europäischen Union, also eine sogenannte Europa-Steuer, tatsächlich so unsinnig ist, wie sie von den Kritikern eingeschätzt wird. Ich möchte zeigen, dass es starke Argumente für eine solche Steuer gibt und sie auch sinnvoll ausgestaltet werden kann.

Zunächst ist wichtig, dass schon 1957 bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Kern der heutigen EU) in den Römischen Verträgen vorgesehen wurde, dass sich die Gemeinschaft aus eigenen Einnahmequellen finanziert. Dazu wurden die Zölle und ähnliche Abgaben herangezogen. Durch weitgehenden internationalen Zollabbau schrumpfte diese Einnahmequelle im Laufe der Zeit auf heute nur noch zwölf Prozent des EU-Budgets, so dass die Mitgliedstaaten immer mehr nationale Finanzbeiträge nach Brüssel überweisen mussten, um das EU-Budget auszugleichen. Diese "Subventionen" der nationalen Regierungen decken heute über drei Viertel des EU-Budgets.

Außer der Tatsache, dass diese Finanzierungsart so nicht vorgesehen war, ergibt sich ein weiterer gravierender Nachteil. Die Finanzierungsbeiträge der einzelnen EU-Staaten müssen in regelmäßigen Zeitabständen neu ausgehandelt werden. Das war in der Vergangenheit stets ein entnervender Kuhhandel, weil jeder das Gefühl hatte, zu viel zu zahlen und seinen Anteil herunterhandeln wollte. In Erinnerung ist uns noch die harte Verhandlungsposition von Margret Thatcher, die damals einen völlig ungerechtfertigten Rabatt auf ihren Finanzierungsanteil aushandelte, der noch heute gilt und mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr beträgt.

Solche unliebsamen Verhandlungen wären unnötig, wenn Brüssel eigene einmal festgelegte Einnahmequellen hätte. Darüber hinaus würde das europäische Parlament, das bisher keine Steuern erheben darf, gestärkt und schließlich die Transparenz des sehr undurchsichtigen EU-Haushalts erheblich verbessert.

Es liegt auf der Hand, dass eine Europa-Steuer sorgfältig konzipiert und sinnvoll ausgestaltet werden muss. Als erster Grundsatz muss gelten, dass die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten um den gleichen Betrag reduziert werden, den die Europa-Steuer erbringt, damit es nicht zu einer Budget-Ausweitung kommt.

Der zweite Grundsatz bezieht sich auf die Ausgestaltung der Steuer. Eine Europa-Steuer ist nur sinnvoll, wenn Tatbestände besteuert werden, die von den Einzelstaaten nicht hinreichend kontrolliert oder durch Ausweichen in andere EU-Staaten umgangen werden können. Dies trifft für die Finanztransaktionssteuer und auch für die Luftverkehrsabgabe zu. Beide sind national unwirksam, weil Finanzgeschäfte genauso wie Flugreisen in andere EU-Länder verlagert werden können. Für die Einführung als Europa-Steuer sind sie jedoch bestens geeignet.