Der Geschäftsführer der Bucerius Law School entwirft ein Anforderungsprofil an einen künftigen Hamburger Regierungschef

An diesem Mittwoch tritt Ole von Beust zurück. Hamburg sucht also einen neuen "Ersten Bürgermeister". Eine gute Gelegenheit zu überlegen, worauf es bei einem Hamburger Bürgermeister eigentlich ankommt.

Der Föderalismus in Deutschland hat neben vielen Schwächen auch gute Seiten. So bringt er unterschiedliche Typen von Ministerpräsidenten hervor, die idealerweise zu ihrem Bundesland passen. Ein bayerischer Ministerpräsident muss vor allem bierzelttauglich sein, sollte aber auch "etwas hermachen". Der baden-württembergische Landesherr darf wiederum bieder und rechtschaffen sein, muss aber etwas von Hightech im Land der Tüftler und des starken Mittelstandes verstehen. In Rheinland-Pfalz ist Leutseligkeit eine wichtige Voraussetzung, neben der Weinkönigin muss man klar als Landesvater und nicht etwa als verhinderter Liebhaber zu erkennen sein. Wer Nordrhein-Westfalen regieren will, muss glaubwürdig die Seele des Ruhrgebiets verkörpern können, wissen, wie "Maloche" sich anfühlt, und Strukturwandel so organisieren können, dass er im Düsseldorfer Industrieklub ankommt. In Schleswig-Holstein geht es nicht ohne Kenntnisse der Landwirtschaft - und der Nautik. Was bedeutet das aber für einen Hamburger Bürgermeister?

Wir nehmen mal als Voraussetzungen an: Intellekt, Engagement, Aufrichtigkeit und Fleiß. Plus die Fähigkeit, Gremien zu moderieren und sich, wenn erforderlich, durchzusetzen. Kommunizieren können und sich in der Hamburger Medienlandschaft zu bewegen, ohne sich ihr anzubiedern.

Was hinzu kommt, ist die Fähigkeit, von mehr als den eigenen Parteimitgliedern als Bürgermeister geachtet und geschätzt zu werden. Politikwissenschaftler bezeichnen dies als die Fähigkeit, dem Median der Wähler näher zu sein als dem Median der Partei. Anders ausgedrückt: Ein Sozialdemokrat muss auch Blankenese können, ein Christdemokrat Wilhelmsburg. Die SPD hat dies über viele Wahlperioden hinweg beherrscht: Klose, Dohnanyi und Voscherau waren Bürgermeister, die weit ins bürgerliche Lager hinein vermittelbar waren. Ortwin Runde, der einzige Bürgermeister, der abgewählt wurde, ohne je gewählt worden zu sein, hat dies nicht vermocht: Er wirkte immer, als sei er den Skatrunden mit Gewerkschaftsfreunden im Besenbinderhof näher als den Gesprächsrunden mit der Kaufmannschaft im Übersee-Club.

Ole von Beust kam an die Regierung, weil die SPD zu spät auf die Probleme der inneren Sicherheit reagierte, die die Schill-Partei auf die Agenda setzte. Die CDU hatte ihr historisch schlechtestes Ergebnis, aber einen präsentablen Kandidaten, dem sogar Schill nicht schadete. Im Gegenteil: nach dessen Rauswurf wurde er mit absoluter Mehrheit wiedergewählt, unter anderem mit vielen Stimmen aus traditionell SPD-nahen Milieus. Beust war immer ein unprätentiöser, nie aber ein nahbarer oder gar anfassbarer Bürgermeister. Seine größte Stärke: Er hatte ein gutes Gespür für die Stimmung in der Stadt, weit über das eigene CDU-Milieu hinaus. "Alster, Michel, Ole" war der Slogan, der dies zum Ausdruck brachte.

Wie sieht sein idealer Nachfolger aus? Er muss im Grunde in seiner Person die Stärken Hamburgs verkörpern: Weltoffenheit, Kaufmannsgeist, zivilgesellschaftliche Tugenden, Zusammenhalt. Dazu braucht er die Fähigkeit, den Hamburger Bürgern in einer komplexer werdenden Welt zwei Dinge zu signalisieren. Erstens: Das Gemeinwesen ist bei mir gut aufgehoben. Zweitens: Ich habe eine Vision für diese Metropole. Die zweitgrößte Stadt des drittgrößten Industrielandes der Welt muss am Beginn des 21. Jahrhunderts eine Perspektive für die Bürger aufzeigen. Der Hamburger Bürgermeister muss einen ausländischen Staatsgast im Smoking empfangen können, muss in Berlin im dunkelblauen Blazer Hamburgs Interessen vertreten können, darf im offenen Hemd bei St. Pauli oder beim HSV nicht peinlich aussehen und - immer wichtiger - muss Englisch als Fremdsprache so sicher beherrschen, dass Hamburgs Internationalität nicht am Dolmetscher hängt.

Ob Christoph Ahlhaus dieses Anforderungsprofil trifft, wird sich zeigen. Olaf Scholz hat ihm hier bestenfalls die Erfahrung der Berliner Bühne voraus. Und warum überhaupt: "der" Bürgermeister? Es könnte ja auch "die Bürgermeisterin" sein. Mein Anforderungsprofil würde zum Beispiel sehr gut getroffen von Dorothee Stapelfeldt, die bis 2004 Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft war. Oder von Cornelia Schroeder-Piller. Die geborene Kolumbianerin regiert bereits seit 2007 erfolgreich den Bezirk Wandsbek ...