Der Ölkonzern Shell hat noch keinen Käufer für den Betrieb in Hamburg gefunden. 550 Mitarbeiter sind in Sorge um ihren Arbeitsplatz.

Hamburg. Die rund 550 Mitarbeiter der Shell-Raffinerie in Harburg müssen weiter um ihre Arbeitsplätze bangen. Während der Mineralölkonzern am Freitag den Verkauf seiner Anlage in Heide mit 570 Beschäftigten verkündete, hat sich für das Werk in Harburg bislang noch kein Investor gefunden. Zu Beginn des Verkaufsprozesses hatte Shell angekündigt, dass beide Betriebe im Paket an einen neuen Eigentümer gehen sollen. Doch der Versuch, beide Anlagen an den indischen Essar-Konzern zu verkaufen, war im vergangenen April gescheitert.

"Wir hoffen immer noch auf einen Übernehmer", sagte der Hamburger Raffinerie-Betriebsratsvorsitzende Jörn Degetow im Gespräch mit dem Abendblatt. "Es haben sich auch schon Interessenten die Anlage angeschaut. Man muss jetzt abwarten." Die Mitarbeiter seien allerdings verunsichert, schließlich sucht das Unternehmen schon seit März 2009 nach einem Käufer für die 1958 in Betrieb genommene Anlage auf der Hohen Schaar.

Deutsche Raffineriebranche erwirtschaftet Verluste

Doch die Zeiten sind schlecht. Die Raffineriebranche erwirtschaftet derzeit größtenteils Verluste, weil auf dem europäischen Markt Überkapazitäten von rund 20 bis 30 Prozent vorhanden sind. Bis vor einigen Monaten rissen sich die Amerikaner noch um die in Europa produzierten Überschüsse bei Benzin und Diesel, weil es in dem Land zu wenig taugliche Raffinerien gab. Doch inzwischen sind Produktion und Verbrauch in den USA ausgeglichen. Verschärft wird das Problem, weil vor allem in Asien in der Hoffnung auf einen insgesamt steigenden Mineralölverbrauch in jüngster Vergangenheit in Raffineriekapazitäten investiert wurde und die Anlagen jetzt sukzessive angeschaltet werden. So ging zum Beispiel in Indien schon 2009 eine Raffinerie in Betrieb, die ausreicht, um ein Viertel des deutschen Bedarfs zu decken.

Fertigungskapazitäten wurden schon in jüngster Vergangenheit verringert

Auch andere Mineralölkonzerne verringern ihre Kapazitäten in Europa. Im Februar hatte bereits der französische Anbieter Total unter lebhaften öffentlichen Protesten eine Raffinerie im französischen Dünkirchen geschlossen. Das US-Unternehmen ConocoPhillips mit der Tankstellenmarke Jet hat seine Raffinerie in Wilhelmshaven im vergangenen Oktober stillgelegt und nutzt sie nur noch als Umschlagterminal.

Bei Shell kommt noch hinzu, dass die Hamburger Anlage mit 5,5 Millionen Tonnen Durchsatz im Jahr nach dem Maßstab des Unternehmens als zu klein betrachtet wird. Zum Vergleich: Die Shell-Raffinerie im Rheinland hat eine Kapazität von 17 Millionen Tonnen. Laut Degetow hängen an dem Harburger Betrieb inklusive der Zulieferer bis zu 2000 Arbeitsplätze. Diese sind akut gefährdet, wenn sich tatsächlich kein Käufer findet. Denn Shell hat bereits angekündigt, dass dann auf dem Gelände ein Tanklager entstehen solle - mit nur noch rund 30 Arbeitsplätzen.

Investor in Heide will sich offensichtlich langfristig engagieren

Die Raffinerie in Heide mit einer Kapazität von 4,5 Millionen Tonnen und 570 Mitarbeitern soll die Investment-Gesellschaft Klesch bis zum Jahresende übernehmen. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Klesch ist ein Familien-Investmentunternehmen mit Sitz in London und Genf, das sich auf langfristige Investments in Industrie- und Warenhandelsgeschäfte konzentriert. Unter anderem betreibt Klesch Aluminiumschmelzen. "Diese Raffinerie passt sehr gut in unsere Strategie, eine Öl- und Gasbasis aufzubauen", sagte Eigner und Vorstandschef A. Gary Klesch. Zum Kaufpreis wurde nichts gesagt.

Die Kieler Landesregierung begrüßte den Verkauf der Raffinerie in Schleswig-Holstein. "Das ist nicht nur ein erlösendes Signal für die 570 Beschäftigten, sondern zugleich ein wichtiger Impuls für die Westküste", sagte Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU). "Der Eigentümerwechsel ist dazu angetan, die industrielle Struktur Schleswig-Holsteins zu stärken." Klesch wolle sich nach Angaben des Ministers langfristig engagieren und neue Arbeitsplätze schaffen.