Es sind nicht die spektakulärsten Fälle, die Bettina Mittelacher in ihrer Gerichtskolumne beschreibt.

Hamburg. Sie würden für ihr Leben nicht folgenlos bleiben, diese Entscheidungen. Das wird Maja M. gewusst haben. Nicht ihr Entschluss, mit einem verheirateten Mann ein Verhältnis anzufangen. Und vor allem nicht die Entscheidung, der Ehefrau dieses Mannes die Affäre unverblümt mitzuteilen - und das ausgerechnet per E-Mail. Wir können ahnen, was sich die 23-Jährige davon versprochen haben mag. Ganz bestimmt aber nicht jenes Erlebnis, bei dem sie unangekündigten Besuch von einem ihr nahezu unbekannten, dafür aber Furcht einflößenden Mann bekam. Einen Besuch, der damit endete, dass er in ihrer Wohnung stand und sie draußen. Ausgesperrt, ohne Schlüssel, ohne Handy, ohne Schuhe. Aber dafür mit Wut im Bauch gegen den Mann, der ihr das eingebrockt hatte. Wut, gepaart mit Angst. "Ich hatte voll die Panik", sagt sie.

Sven H. ist jener Mann, der diese Gefühle bei ihr ausgelöst hat. Und der sich jetzt vor dem Amtsgericht verantworten muss wegen jener Ereignisse vom Juni dieses Jahres. Hausfriedensbruch, Beleidigung und Nötigung wirft die Staatsanwaltschaft dem 38-Jährigen vor, weil er ungebeten in die Wohnung der jungen Frau eingedrungen und sie letztlich raus auf die Terrasse gedrängt haben soll. Der ihr laut Anklage vorwarf, sie habe mit ihrer sexuellen Anziehungskraft "alles kaputt gemacht". Wobei er für die sexuelle Anziehungskraft einen äußerst beleidigenden Ausdruck verwendet haben soll - zu vulgär, um ihn hier zu wiederholen.

Der Angeklagte wirkt wie ein Mann der Tat. Einer, der zupacken kann, der geradeheraus ist. Den es nicht stört, vielleicht auch mal anzuecken. Gefälliges, Stromlinienförmiges ist seine Sache nicht. Seinen Schädel hat er kahl rasiert bis auf eine schmale, wie mit dem Lineal gezogene Spur im Irokesenlook. Und sein bis auf die Brust reichender Rauschebart wippt mit, als er bedächtig nickt: Ja, im Prinzip stimmten die Vorwürfe, räumt der Angeklagte ein.

Er habe sich geärgert, weil sein Kumpel wegen der verhängnisvollen E-Mail richtig Schwierigkeiten bekommen habe. Die Frau, die dem Mann das eingebrockt habe, sei ihm schon vorher bekannt gewesen, sagt Sven H., von gemeinsamen Feiern, auch bei ihr in der Wohnung. "Als ich dann eines Tages bei ihr vorbeigegangen bin, stand ihre Wohnungstür offen. Also bin ich rein und fragte, wie man so blöd sein kann, von einem Verhältnis per E-Mail zu erzählen. Damit hat sie alles kaputt gemacht. Ich habe ihr aber nicht gedroht oder so. Ich hatte auch nichts getrunken." Maja M. sei zurückgewichen bis auf die Terrasse. "Kann sein, dass ich sie ausgeschlossen habe. Ich weiß, das war blöd von mir."

Und offenbar auch beängstigend. So schildert zumindest Maja M. den Moment, als Sven H. plötzlich in ihrer Wohnung stand. Sie habe zuvor ausnahmsweise zu Hause geraucht und durchlüften wollen, erklärt die aparte Frau in hautenger Jeans und modischen Stiefeln. "Deshalb stand die Wohnungstür offen. Er kam rein und legte sofort los mit massiven Beschimpfungen, ich stand richtig unter Schock", erzählt die 23-Jährige. Der Angeklagte habe auch versucht, sie zu schlagen. "Aber er war lattenstramm", widerspricht sie seinen Beteuerungen bildhaft, er sei seinerzeit nüchtern gewesen. "Ich konnte gut ausweichen."

Trotzdem habe sie Angst vor Sven H. "Ich habe gehört, dass er in so einer Motorradgang sein soll. Ich habe Sorge, dass mir da was passiert." Der Angeklagte beschwichtigt sofort. "Da hat sie absolut nichts zu befürchten." Doch die Fronten sind verhärtet, ganz offensichtlich, eine Verständigung selbst auf dem kleinsten Nenner ausgeschlossen. Auch dass sie miteinander bekannt sein sollen, verneint Maja M. vehement. Und sie habe "hundertprozentig noch nie" mit ihm gefeiert, beteuert sie und mustert Sven H. von oben bis unten. "Du bist nicht meine Liga. Und auch nicht mein Alter." Der 38-Jährige kontert gelassen: "Du bist jedenfalls eine, die ganz schön Gas geben kann, was Alkohol betrifft." Die Zeugin zischt zurück: "Ich trinke keinen Alkohol." "Ach so", spottet Sven H. "Ich wusste gar nicht, dass es alkoholfreien Whiskey gibt."

Der Amtsrichter versucht zu vermitteln. "Ein bisschen unterschiedlich" seien die Erinnerungen von Angeklagtem und Zeugin schon, fasst er zusammen. Aber unter anderem wegen des Geständnisses sei die Anklage erwiesen. Auf eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 30 Euro und damit insgesamt 2400 Euro erkennt schließlich der Richter. Er glaube, dass diese Strafe ausreiche, betont er in der Urteilsbegründung. "Aber ärgerlich fände ich es, wenn ich Ihnen zu viel zugetraut hätte", redet er Sven H. ins Gewissen, "und Sie sich jetzt doch an der Zeugin rächen." Der Angeklagte hebt abwehrend die Hände, schüttelt energisch den Kopf. Und zieht von dannen.